Und wenn eine deutsche Supermarkt-Kette in Lateinamerika Bananen ordert, dann weiß sie im Voraus, wie die Bananen schmecken werden, welche Farbe sie haben werden, wie lang und wie dick sie sein werden und wie krumm die Banane sein wird - egal ob sie aus Nicaragua oder Kolumbien importiert wurde. Dafür sorgt der global agierende Konzern Chiquita Brands International, Inc. (und andere).
Beides sind Folgen und Notwendigkeiten der Globalisierung: Bananen und Hamburger haben bestimmte Kompetenzen (o.k. - bei ihnen wird es anders genannt -) und werden nach bestimmten Kompetenzrastern hergestellt bzw. gezüchtet.
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Globalisierung und Bildung
So ähnliche Folgen (und Notwendigkeiten?) hat die Globalisierung auch in der Bildungspolitik. Es fing an mit den Sprach-Zeugnissen:
Egal, ob eine Schülerin im Goethe-Institut in Schanghai oder Rio de Janeiro Deutsch gelernt hat: Wenn in ihrem Sprach-Diplom "B1" steht, dann können sich die deutsche Ausländerbehörde und die Schule in Deutschland darauf verlassen: Wo B1 im Zeugnis steht, da ist auch B1 im Menschen drin. Dafür sorgen die Kompetenzraster für Sprachdiplome.
Weiter ging es im europäischen Bologna-Prozess mit den Bachelors und Masters: Wer weiß schon in China so genau, was ein deutscher Diplom-Physiker so alles kann. Aber wenn in China nun ein Physiker für eine Solar-Fabrik gebraucht wird, dann weiß man dort: Wo "Master der Physik" drauf steht, da ist auch ein Meister der Physik drin, egal ob das Diplom in Berlin oder Athen ausgestellt wurde. Dafür muss man nur in den Kompetenzrastern und Portfolios des Studienganges nachschlagen.
Und nun kommt die Standardisierung, die im Zeitalter der Globalisierung hilfreich (und notwendig?) ist, auch auf die Schulen in Deutschland und anderswo zu, promotet von den international tätigen Bildungskonzernen wie Bertelsmann und seiner Stiftung, die viel für die Bildung tut - mit dem erklärten Ziel, die Bildung global marktwirtschafts-kompatibel und -freundlich zu gestalten. (So wie vorher schon die Bananen, Gurken, Sprachdiplome und Universitäts-Abschlüsse. Jetzt sind die Schulabschlüsse an der Reihe.)
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Muss das ein Fehler sein?
Die Meinung der Pädagogen und Pädagoginnen ist sehr geteilt.
(Dazu mehr in einem anderen Post. ...)
Einige Gesichtspunkte:
- Eine Kompetenz-Beschreibung sagt mehr aus als eine einfache Fachnote wie z.B. "Mathematik 2". - Eine 2 in Klasse 9 des Gymnasiums A ist mit einer 2 in Klasse des Gymnasiums B in derselben Stadt oder auch in einer anderen Stadt nachweislich nicht vergleichbar. Schon gar nicht mit der Note eines gleichaltrigen Schülers in einer High-School in den USA oder in China. Noten sind relativ inhaltsleer, da sie als solche nicht beschreiben, was ein Schüler oder eine Schülerin konkret beherrscht. - Noten dienen eher als ein einfaches Hilfsmittel, um der Auslesefunktion, die Schule hat, (scheinbar) gerecht zu werden und die Selektion (scheinbar) objektiv zu machen.
- Eine Liste von Kompetenzrastern kann SchülerInnen zeigen, was von ihnen konkret erwartet wird; was sie vorweisen, wissen und können müssen, um ein bestimmtes Ziel, z.B. einen bestimmten Schulabschluss, ein bestimmtes Diplom oder Zertifikat, zu erreichen. Ebenso den Lehrkräften, die genau wissen, welche skills ihre SchülerInnen ggf. erreichen wollen.
- Auch Eltern kann mit einem Katalog, der Kompetenzen auf verschiedenen Kompetenzniveaus beschreibt, veranschaulicht werden, was von ihren Kindern erwartet wird, wo das Kind derzeit steht und wo es noch Lücken hat, wenn es dieses oder jenes Ziel erreichen will oder erreichen soll.
- In manchen Schulen hat jede/r Schüler/in ein Buch mit Kompetenzrastern, in das Punkte geklebt oder Häkchen gemacht werden, wenn eine bestimmte Kompetenz nachgewiesen wurde; dabei spielt der Zeitpunkt der Kompetenz-Erreichung keine Rolle. Die SchülerInnen erreichen eine bestimmte Kompetenz nicht im Gleichschritt, (also z.B. durch eine Klassenarbeit, die von allen SchülerInnen zur gleichen Zeit im gleichen Raum geschrieben werden muss), theoretisch kann jede/r Einzelne die Kompetenz zu einem beliebigen Zeitpunkt nachweisen.
- Kompetenzraster erfassen den Menschen niemals in seiner Ganzheit. Sie beschreiben - in zum Teil sehr komplizierten, abstrakten Litaneien - Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in den Bildungsstandards vorgegeben sind und von denen andere Menschen meinten, dass diese nötig seien - mehr aber auch nicht. Der Mensch als Ganzes hat viele Fähigkeiten, Eigenschaften, Fertigkeiten, die von diesem Raster nicht erfasst werden, vielleicht auch nur sehr schwer von einem Raster erfasst werden könnten, selbst wenn man das wollte. Und die vielleicht wertvoller sind, als das, was im Kompetenzraster beschrieben wird.
- Ein wesentliches Motiv für die Erstellung von Kompetenzrastern war es, den Menschen als eine Arbeitskraft und Ware zu sehen, die international und global vergleichbar, austauschbar und handelbar sein soll. Nicht Wert und Würde des Menschen sind zentral, nicht seine persönliche Entwicklung zu dem, der er ist - sondern seine Brauchbarkeit.
- Es kann für einen Menschen durchaus hilfreich sein, wenn er in ein anderes Land ziehen will, auswandern will, einem potenziellen Arbeitgeber am anderen Ende unseres Planeten ohne große Umstände seine Fähigkeiten anhand eines Kompetenzrasters zufaxen oder zumailen zu können. Besonders plausibel ist das z.B. bei den Sprachdiplomen. - Es kann aber nicht Ziel von Schule sein, einen Menschen (allein) als Ware zu behandeln und seine Schul und Lebenszeit damit zu vergeuden, ihn für potenzielle Abnehmer seiner Arbeitskraft brauchbar zu machen. - Das könnte auf andere Art und Weise schneller geschehen.
- Der Mensch ist gezwungen, sein Können als Ware auf dem Arbeitsmarkt anzubieten, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das alleine kann aber vom Bildungssystem nicht zum alleinigen Zweck von Bildung gemacht werden, es ist nur Teil eines Ganzen.
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