bildungsblog72

Über Schule, Bildung und Lernen im 21. Jahrhundert nebst aktuell gültiger Irrtümer.

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. - Und Sippenhaft?

Gestern las ich in der Zeitung:

ARNHEIM taz | Die niederländischen Bischöfe sind "geschockt" über das Verhalten der Täter und "tief beschämt über die Momente" in denen Verantwortliche der Kirche "nicht die richtigen Massnahmen getroffen haben, um das Leid zu stoppen."
Das steht in einer aktuellen Briefbotschaft der Bischöfe über sexuellen Missbrauch an Kinder und Jugendliche in der römisch-katholischen Kirche. Den katholischen Gläubigen wird diese Botschaft an diesem Wochenende bei ihrem Kirchgang überbracht.
Der Erzbischof von Utrecht, Wim Eijk, erklärte "es erfüllt uns mit Scham", er sei "tief berührt". Die katholische Kirche habe eine deutliche, strenge, sexuelle Moral, man könne erwarten, dass sich die Institution selbst an diese Moral halten würde, sagte er in einem TV-Interview.
Mehrere zehntausend Kinder und Jugendliche
Sexueller Missbrauch an Kinder und Jugendlichen war verbreiteter, als Niederländer es befürchtet hatten. Schätzungsweise zehn- bis zwanzigtausend Minderjährige, die einen Teil ihrer Jugend in römisch-katholischen Einrichtungen verbracht haben, wurden von 1945 bis 1981 in jenen Einrichtungen sexuell missbraucht. Das steht in einem Untersuchungsbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde.
Insgesamt wurden von 1945 bis 2010 mehrere Zehntausende Kinder und Jugendliche in der Katholischen Kirche sexuell missbraucht, sie hatten mit leichten bis schweren Grenzüberschreitungen zu tun. Etwa 1.000 Minderjährige wurden vergewaltigt. In einem Internat war das Risiko, missbraucht zu werden, zweimal so hoch wie im landesweiten Durchschnitt. Zu diesen Erkenntnissen kommt die Kommission Deetman, die im Auftrag der katholischen Bischöfe Missbrauchsvorwürfe innerhalb der Katholischen Kirche untersucht hat.
Quelle 

Und gestern stand auch in der Zeitung, 
dass in Tübingen seit diesem Monat, Dezember 2011, ein Klavierlehrer einer privaten Musikschule in U-Haft sitzt wegen "Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit dem sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen zum Nachteil der Musikschüler“...

Bei der gestrigen Lektüre musste ich natürlich auch wieder an den unglaublichen und unsäglichen Missbrauch in der Odenwaldschule denken, und ich schaute noch einmal nach, was aus diesem Skandal letzendlich geworden war. -  (Zwei meiner Bekannten hatten dort ihre Söhne als Schüler untergebracht, und ich selber hatte die Schule vor vielen Jahren zweimal besucht und damals auch mit dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Schulleiter Gerold Ummo Becker gesprochen.)

Der Abschlussbericht zur Odenwaldschule ist ziemlich genau vor einem Jahr erschienen, im Dezember 2010. Damals las man:


Der vorläufig letzte Bericht zu Opfern sexuellen Missbrauchs an der einstigen Vorzeigeschule bringt weitere furchtbare Details ans Licht.
283 Jungen sollen hier missbraucht worden sein: Die Reformschule Odenwald. 
HEPPENHEIM taz 17.12.2010. Von Christian Füller | Die beiden unabhängigen Aufklärerinnen der Odenwaldschule haben sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Sie bezeichnen die übergriffig gewordenen Lehrer der Odenwaldschule tatsächlich als Täter - und nennen sogar ihre Namen. Vier Männer seien eindeutig als Täter zu identifizieren. [...] Der Haupttäter war allerdings Gerold Becker [...]. Nach den bisher vorliegenden Meldungen gibt es 111 Opfer sexueller Übergriffe.[...]
Die Gerichtspräsidentin a. D. Brigitte Tilmann sagte am Freitag, Ziel ihrer Arbeit sei nicht die strafrechtliche Verurteilung der Täter gewesen. Diese sei gar nicht möglich, weil die Taten ausnahmslos verjährt seien. [...] Dem langjährigen Leiter der Odenwaldschule Gerold Becker werden 86 männliche Betroffene zwischen 12 und 15 Jahren zugerechnet. [...] 


Vieles ist verjährt, Gerold Becker ist während der Untersuchungen gestorben (an Krebs), manche Taten sind nicht verjährt und werden deshalb noch von Gerichten beurteilt und bestraft werden. - Und: Manche Journalisten sind damals über`s Ziel hinaus geschossen und haben über-eifrige Artikel verfasst, zum Beispiel - so finde ich - auch Christian Füller, dessen Artikel und Bücher ich eigentlich sehr schätze: Er schüttete gleich die gesamte Reformpädagogik der 1920er Jahre mit dem Bade aus. (So wie leider auch der deutsche Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers, Jg. 1947, Professor in Zürich).  


Harmut von Hentig, geboren 1925 (und damit gut zwei Jahre jünger als der gerade verstorbene Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter), war Freund des Täters Gerold Becker; mehr dazu findet man in dem offenen Brief von Lutz van Dijk an Hartmut von Hentig am Ende dieses Posts. 

In Wikipedia liest man:
Von Hentig wurde nach seinen ersten Äußerungen zu den sexuellen Missbrauchsfällen an minderjährigen Schutzbefohlenen an der Odenwaldschule scharf kritisiert. Er hatte als langjähriger Freund des im Juli 2010 verstorbenen Pädagogen und Erziehungswissenschaftlers Gerold Becker auf Verlangen dazu eine Stellungnahme verfasst. [...] Von Hentig beteuerte, von Beckers Pädokriminalität nichts gewusst zu haben. Er mutmaßte unter anderem, Becker habe sich von den Opfern verführen lassen. In einem offenen Brief kritisierte Lutz van Dijk, der sich darin als Freund von Hentigs bezeichnet, dass Hentig in seiner Loyalität zu Gerold Becker sich zur „Ignoranz gegenüber den Opfern von sexuellem Missbrauch“ habe hinreißen lassen.

Die Frankfurter Rundschau urteilte im März 2010 über von Hentig: „Doch die Vorwürfe sind so ungeheuerlich, dass das beredte Schweigen des großen deutschen Pädagogen von Hentig die Opfer und sein eigenes Lebenswerk beschädigt.“


Es steht (noch) nicht in Wikipedia, dass von Hentig am 18.10.2011 auch der Comenius-Preis aberkannt worden ist, der ihm 1994 verliehen worden war. In dem Abererkennungsschreiben heißt es u.a.:


Die Comenius-Stiftung ist eine gemeinnützige und mildtätige "Stiftung zur Unterstützung Not leidender Kinder und Jugendlicher". Sie ehrt durch die Verleihung des Comenius-Preises Personen oder Gruppen, die sich in hervorragender Weise für Kinder bzw. Jugendliche eingesetzt haben. Die mit dem Preis verbundene Geldsumme, so unsere Satzung, muss der jeweilige Preisträger an Not leidende junge Menschen weitergeben - wobei die Not bekanntlich keine Grenzen kennt. Sie haben seinerzeit (am 12. März 1994) die Preissumme von 20 000 DM geteilt und an die Odenwald- sowie die Wiesbadener Helene-Lange-Schule gegeben. Damals konnten wir noch nicht einmal ahnen, dass an der einen Schule Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht wurden und an der anderen ein Musiklehrer Hunderte von pornografischen Fotos seiner Schüler anfertigte.

Ich weiß nicht, ob das richtig ist.Oder ob das unter Sippenhaft zu zählen ist. Hartmut von Hentig selber antwortete so:


Im Juli 2011
Hartmut von Hentig
Ein Klärungsversuch
Unter dem Eindruck der Berichte von Betroffenen möchte ich zugleich den wiederholten Aufforderungen von Freunden und Kritikern genügen, die mir vorwerfen, nicht deutlich genug zu den Leiden der Opfer und zu den Vorfällen an der Odenwaldschule (in vergangenen Jahrzehnten) Stellung genommen zu haben.

Ich gebe meine Überzeugungen, die ich anderwärts ausführlicher dargelegt und begründet habe, hier in geraffter Form wieder:

1.
Die Berichte von Betroffenen sind Zeugnisse/Dokumente schwerer Verletzungen und nicht entschuldbarer Übergriffe von Seiten Erwachsener. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein Verbrechen. Dass solche Übergriffe Gerold Becker anzulasten sind, trifft niemanden härter als seinen engsten Freund.
Als dieser bitte ich seine Opfer in Demut, sie mögen dem Toten die Verzeihung gewähren, um die er sie noch lebend gebeten hat. Ich tue es im Mitgefühl für die Kinder, die sie damals waren, und für die Kränkung, dass man ihnen als Erwachsenen nicht geglaubt hat. Was das bedeutet, habe ich im letzten Jahr gründlich gelernt. Eine Abkehr von dem toten Freund nützt niemandem und ist von mir nicht zu erwarten.
2.
Kritik an der Reformpädagogik und den Schulen, die sich auf sie berufen, sind je in sich zu begründen und nicht an mich gekoppelt.
Die von diesen Schulen ebenso wie in meinem Sokratischen Eid vertretenen Grundsätze wollen zu einer menschlichen Pädagogik anleiten. Kommt es zu schwerwiegenden Verstößen wie sexuellen Übergriffen, werden diese Grundsätze dadurch nicht untauglich. Ihre Funktion ist es vielmehr, menschliche Schwäche und Fehlbarkeit erkennbar und überwindbar zu machen.
3.
Wer sich jetzt aus Empörung über die Vorfälle an der Odenwaldschule oder aus Enttäuschung über mich von der von mir vertretenen Pädagogik abkehrt, der prüfe sich selber. Dabei sollte es nicht darum gehen, was bei Hentig steht, um das, was ich richtig oder falsch gemacht habe, sondern darum, was gute Pädagogik heute und in Zukunft sein kann.


Siehe dazu auch 
  • die schöne Kolumne "Der blinde Seher" von Reinhard Kahl 
  • und den ebenso schönen offenen Brief von Lutz van Dijk an Hartmut von Hentig. 
  • Reinhard Kahl: Vom Missbrauch des Missbrauchs
Eingestellt von udopia-04 um 12:21 1 Kommentar:
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Samstag, 17. Dezember 2011

Das neue Dilemma der Realschulen in BW 2012ff

Ab dem Schuljahr 2012/13 können sich Schulen in BW in Gemeinschaftsschulen umwandeln.
Siehe dazu auch die Posts:
  • Realschule> Gemeinschaftsschule-Mittelschule-Oberschule 
    und
  • Grün-Rote Bildungsreform  Baden-Württemberg 2011
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Das Angebot werden Hauptschulen in vielen Gebieten gerne annehmen: Dort wo ihnen die SchülerInnen abhanden gekommen sind und dort, wo sie zur sogenannten Rest-Schule verkommen sind. Denn so kann der Standort Hauptschule erhalten werden bzw. die Hauptschulen bekommen "frisches Blut" durch RealschülerInnen. - 
Die Heterogenität dieser Schulen wird wachsen; und dort, wo mit dieser Heterogenität kompetent umgegangen werden kann, so sagt die Bildungsforschung, werden schwache und starke SchülerInnen von der neuen Heterogenität profitieren.

In der Zwickmühle stecken die Realschulen. Wir die Realschule erst Gemeinschaftsschule und dann die neue Rest-Schule?

Trotzdem werden wohl weder Lehrer- noch Schüler- noch Elternschaft einer Realschule die Umwandlung ihrer Realschule in eine Gemeinschaftsschule als Aufwertung empfinden, kommen doch zu der sowieso schon sehr heterogenen Schülerschaft der Realschule nun noch die SchülerInnen die vielerorts als Rest-Schule empfundenen Hauptschule hinzu. Die Realschulen befürchten, dass Lehren und Lernen dadurch nicht leichter werden; und die Realschul-Gemeinde wird das Ganze zudem ggf. als sozialen Abstieg empfinden.

Die empfundene Bedrohung: Dort wo die Möglichkeit besteht, werden potenzielle RealschülerInnen die Gemeinschaftsschule meiden und auf eine benachbarte "richtige" Realschule wechseln. So wird die Gemeinschaftsschule unter Umständen zur Rest-Schule. - So die sehr wahrscheinliche Hypothese.
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 Wie man das verhindern will und kann

Wenn eine Realschule sich in eine Gemeinschaftsschule umwandeln will, dann wird sie zum Ausgleich wahrscheinlich versuchen, mit der Oberstufe eines benachbarten Gymnasiums zu kooperieren oder gar eine eigene gymnasiale Oberstufe zu bekommen: Zum Ausgleich für die "schwachen Hauptschüler", die durch die eine Tür in die neue Gemeinschaftsschule herein gelassen werden, sollen durch eine andere Tür "gute GymnasiastInnen" hereinkommen, die Schülerschaft ergänzen - den Durchschnitt wieder herstellen. - Pädagogisch kann man das damit begründen, 
  • dass nur eine wirklich gemischte Schülerschaft, in der alle Begabungen vertreten sind, der erwartete Vorteil eines kompetenten Umgangs mit Heterogenität wirklich ausgespielt werden kann und die Leistung mit dem Gymnasium ehrlich vergleichbar machen.
  • Auch können die 16-jährigen SchülerInnen nach Ende der 10. Klasse ggf. in ihrem eigenen Hause in die gymnasiale Oberstufe wechseln.
Ob das klappt, ist eine andere Frage. Denn warum sollte ein Kind aus dem Bildungsbürgertum, dem das Abitur auf einem Gymnasium quasi in die Wiege gelegt wurde, wohl auf eine Gemeinschaftsschule gehen und sich "mit Hauptschülern abgeben"? Da muss die Gemeinschaftsschule schon ein besonderes Profil entwickeln, das sie gegenüber dem benachbarten Gymnasium wirklich attraktiv erscheinen lässt. - 

Oder es gibt weit und breit kein Gymnasium. Oder die Eltern ziehen ein Abitur nach 9 Jahren vor; dann können sie neuerdings allerdings auch ihre Kinder in Klasse 5 gleich in das Gymnasium einschulen - ab 2012 entscheiden die Eltern in BW selber über die Schulart - und dann ggf. nach Klasse 7 in ein berufliches Gymnasium wechseln. - Auch das wäre eine Methode, von Klasse 5 an auf ein "reines" Gymnasium zu gehen und eine Gemeinschaftsschule zu meiden.Wenn man es denn will.

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Besonders in den Universitätsstädten 

wie z.B. Tübingen (wo sowieso 70% aller SchülerInnen nach Klasse 4 an das Gymnasium wechseln) werden es Gemeinschaftsschulen schwer haben, nach dem Wegfall der sog.  Bildungs-Empfehlungen der Grundschulen genügend "GymnasiastInnen" anzuziehen. Da brauchen sie ein starkes eigenes pädagogisches Profil oder deutlich bessere Abgangs-Noten als die benachbarte Realschule oder das benachbarte Gymnasium.  Aber warum soll das nicht gelingen? Die Waldorf-Schulen haben auch ihr eigenes Klientel gefunden und wachsen und gedeihen.
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Eingestellt von udopia-04 um 18:18 Keine Kommentare:
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Realschule > Gemeinschaftsschule , Mittelschule, Oberschule.


Dieser Text ist die gekürzte (und leicht veränderte) Version eines Textes von Joachim Lohmann. Den ganzen Text können Sie auf der Seite des Forum Kritische Pädagogik nachlesen oder downloaden. 
Dr. Joachim Lohmann ist ehem. Vorsitzender der GGG, Kieler Stadtschulrat a.D., MdL-SPD Kiel a.D., Staatssekretär a.D.
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Zu den 11 Ländern ganz ohne Hauptschule kommen weitere 4 Länder hinzu, in denen sie als Pflichtangebot für die Kommunen entfällt. Die Kommunen können stattdessen attraktivere Schulformen errichten. Das Schicksal der Hauptschule ist damit besiegelt. Die traditionelle Dreigliedrigkeit wird damit aufgehoben, es kommt zu neuen Schulstrukturen.
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Die Landesregierung von Baden-Württemberg (wie auch die von Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) ermöglicht den Schulträgern jetzt - nach dem Regierungswechsel -, ab 2012 keine Haupt- und Realschulen mehr vorzuhalten, sondern sie in Schulen mit mehreren Bildungsgängen umzuwandeln.
Doch Zweigliedrigkeit ist nicht gleich Zweigliedrigkeit,

die Unterschiede sind gravierend. Es bestehen zwei Hauptformen, zusätzlich existieren noch Varianten.
  1. Es gibt das zweigliedrige Vertikalsystem anstelle der bisherigen Dreigliedrigkeit. Neben dem Gymnasium gibt es statt der Haupt- und Realschule eine Mittelschule mit Bildungsgängen zum Haupt- bzw. Realschulabschluss, aber nicht zur Hochschulreife. Die Mittelschule besitzt weder eine eigene gymnasiale Oberstufe noch kooperiert sie vertraglich mit einer gymnasiale Oberstufe, in die sie geeignete Schüler/innen versetzt. Diese Zweigliedrigkeit wird im Folgenden zweigliedrige Mittelschullösung genannt. In allen betreffenden Ländern bestehen in Konkurrenz zu der vertikalen Zweigliedrigkeit Gesamtschulen als ein integratives Schulangebot.
  2. Bei der anderen Form der Zweigliedrigkeit gibt es kein Nebeneinander von Schulformen mehr, die sich in den Bildungsgängen, deren Abschlüssen und Berechtigungen unterscheiden. Statt der vertikalen Diskriminierung von Schulformen gibt es eine Parallelstruktur, in der beide Schulformen (Gymnasium und Oberschule) den gymnasialen Bildungsgang beinhalten und zu gleichen Abschlüssen und Berechtigungen führen. Dieses zweigliedrige Parallelsystem wird im Folgenden als zweigliedrige Oberschullösung bezeichne.
    Zweigliedrige Oberschullösungen in Deutschland

    Namensgebung für Oberschule
    weitere
    allg. Schulformen
    Baden-Württemberg
    Gemeinschaftsschule
    Hauptschule,
    Realschule,
    Gymnasium
    Berlin
    Integrierte Sekundarschule (ISS)
    Gemeinschaftsschule,
    Gymnasium
    Bremen
    Oberschule
    Gymnasium
    Hamburg
    Stadtteilschule
    Gymnasium
    Nordrhein-Westfalen
    Sekundarschule
    Hauptschule,
    Realschule,
    Gymnasium,
    Gesamtschule
    Rheinland- Pfalz
    Realschule plus,
    führt normaler Weise nur zur Fachhochschulreife
    Gymnasium,
    Gesamtschule,
    auch Hauptschule
    und Realschule
    Saarland
    Gemeinschaftsschule
    Gymnasium
    Schleswig- Hol-stein
    Gemeinschaftsschule
    Gymnasium
    sowie Regionalschule,
    die nur
    zu mittleren Abschlüssen führt

    Die zweigliedrige Mittelschullösung ist gesellschaftlich nicht leicht durchzusetzen, denn die vertikale Zweigliedrigkeit bedeutet für die Realschule keine Aufwertung. Vielmehr sehen ihre Anhänger bei der Zusammenführung mit der Hauptschule eine Abwertung der Realschule.


    Nur die Oberschullösung bringt nach vorn

    In Baden-Württemberg
    geht die grün-rote Regierung in dieser Legislaturperiode sehr behutsam vor. Sie will einzig die Oberschulen gesetzlich verankern und auf Antrag der Schulträger errichten. Doch wegen der breiten Rebellion der Hauptschulleiter von 2007 dürfte ein Reformdruck bei der Basis entstehen. Schrittweise dürfte es zu einer zweigliedrigen Oberschullösung kommen.

    Weder bei dieser grün-roten noch erst recht nicht bei anderen Regierungskonstellationen ist zu erwarten, dass Baden-Württemberg Schrittmacher für weiterreichende Strategien wird.
     

    So wird es im optimalen Falle auch in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen zur zweigliedrigen Oberschul-Lösung kommen.

    Die gemeinsame Schule für alle hat in den meisten Ländern schon jetzt keine Chance mehr, wenn nicht auch die Zweigliedrigkeit überwunden wird.

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    Mit großer Wahrscheinlichkeit tragen viele Oberschulen den Reformgeist der Gesamtschulen weiter. Eine Oberschule in Konkurrenz mit dem Gymnasium wird die Ungerechtigkeit eher deutlicher empfinden als eine Gesamtschule in Auseinandersetzung mit drei vertikalen Schulformen.

    Die Oberschulen werden die Konkurrenz bestehen

    Manche Anhänger der gemeinsamen Schule für alle befürchten, dass die Oberschule der Konkurrenz des Gymnasiums nicht standhalten kann. Doch diese Furcht scheint eher unberechtigt.

    Die beiden Schulformen basieren auf unterschiedlichen Wertvorstellungen. Das Gymnasium als die letztverbliebene Schulform der Vertikalität steht für pädagogische Skepsis und gesellschaftliche Ausgrenzung: Jugendliche dürfen wegen Leistungsschwächen negativ bewertet, von höheren Abschlüssen ausgeschlossen werden und schulisch scheitern. Dagegen verleiht ein erfolgreicher Gymnasialbesuch einen höheren Bildungs- und gesellschaftlichen Status und trägt damit zur gesellschaftlichen Ungleichheit bei.

    Bei den Oberschulen wird es sicher viel Frust über die Schwere der Aufgabe geben. Dennoch - wie bei den Gesamtschulen - wird immer wieder auch bei den Oberschulen Genugtuung und Freude bei Lehrkräften, Eltern und Jugendliche entstehen,
     
    • dass Schülerinnen und Schülern qualifizierte Abschlüsse erreicht haben,
    • dass sie begabt und befähigt wurden,
    • dass Benachteiligte gefördert werden konnten und
    • dass sozial gelernt wurde.

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    Die Überlegenheit der integrativen Systeme zeigt sich auch in der Praxis.
    • PISA 2009 hat für die OECD-Staaten die Überlegenheit des Integrationssystems nachgewiesen: Je später ein Schulsystem die Schülerschaft in ungleiche Schulformen aufteilt und je weniger Schulformen parallel existieren, desto besser für alle. Dann wird nicht nur sozial und ethnisch deutlich besser gefördert, sondern es werden zugleich bessere durchschnittliche Leistungen erreicht, weniger Schüler/innen zählen zur Risikogruppe und mehr Jugendliche gehören zur Spitze.
    • Auch in Deutschland haben Integrationskonzepte ihre Leistungsfähigkeit in Konkurrenz zum vertikalen Schulaufbau gezeigt.
    • Nicht wenige Gesamtschulen haben die Möglichkeiten der Vielfalt als Chance genutzt und überzeugende Praxis gezeigt. Manche gehören zu den besten Schulen des Landes. Keine andere Schulform stellt so viel Preisträgerschulen wie die Gesamtschulen, dabei sind Gesamtschulen die bundesweit am geringsten verbreitete allgemeine Schulform.
    • Was die integrativen Systeme im Ausland und die Gesamtschulen im Inland geleistet haben, das sollte auch den Oberschulen möglich sein.
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    Die ersten Erfahrungen mit der Oberschule ermutigen, zum Beispiel in Berlin:  Umfasste die Hauptschule bisher fast ausschließlichen Hauptschulempfohlene, so kommt es in der Berliner Oberschule zu einer erfreulichen Mischung. Dies gelingt, obwohl fast die Hälfte der 42 neu gebildeten Oberschulen nur aus Hauptschulen entstanden ist, etwas mehr als die Hälfte durch Integration von Haupt- und Realschule bzw. durch Umwandlung von Realschulen. Jetzt haben 27 dieser 42 Oberschulen mehrheitlich mindestens Realschul-Empfohlene, bei 15 sind es noch mehrheitlich, aber nicht mehr fast ausschließlich Hauptschul-Empfohlene. Dabei hatte der Senat die Anmeldung sowohl zu den Oberschulen als auch zu den Gymnasien freigegeben. Mit der Einführung der Oberschule brach auch der Trend zu stetig steigenden Übergängen auf das Gymnasium ab. _______________________________________ 
     
    Wie groß die Chance der Oberschulen ist, zeigt Bremen. Hier entstanden die Oberschulen aus der Umwandlung von Schulzentren unter Einbezug ihrer gymnasialen Zweige. Den Oberschulen ist es gelungen, nicht nur potentielle Haupt- und Realschüler der Schulzentren weiter an sich zu binden, sondern auch potentielle Schüler/innen des Gymnasialzweiges.

    Die Oberschule kann also Gymnasialanhänger für sich gewinnen. Die Bremer Oberschulen erreichten eine Übergangsquote von 80 %. Dieser kaum für möglich gehaltene Erfolg ist auch dem Bremer Schulfrieden zu verdanken, der eine Verunsicherung der Eltern durch eine politische Konfrontation vermied.


    Wenn die Oberschule in Bremen sogar Gymnasialanhänger gewinnen kann, umso mehr muss es ihr in allen Bundesländern möglich sein, mindestens das bisherige Haupt- und Realschul-Klientel dauerhaft an sich zu binden, da sie ihnen ja bessere Förderung und mehr Aufstiegschancen anbietet. Bei der Oberschullösung kann eine überzeugende Politik der Oberschule das Schicksal der Restschule verhindern. Dies verlangt eine Kompensation der Oberschule dafür, dass sie vor allem die soziale, ethnische und sonderpädagogische Integration von Jugendlichen zu leisten hat.


    Eingestellt von udopia-04 um 17:15 Keine Kommentare:
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    Noten überflüssig machen


    Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung


    Die Carlottas und Leonhards gehen häufiger aufs Gymnasium als die Kevins und Jennifers. Das ist seit der ersten Pisastudie bekannt. 

    • Wenn sich die soziale Herkunft nun nicht mehr auf die schulische Leistung auswirkte, dann würde der Anteil der Arbeiterkinder an Gymnasiasten auf einen Schlag von derzeit knapp 20 auf über 30 Prozent steigen.

    Das haben Wissenschaftler neu ausgerechnet, als sie auf Basis vorhandener Daten aus Deutschland und der Schweiz untersuchten, wie stark die Herkunft der Kinder auf die Benotung und den Übergang an eine Oberschule durchschlägt.

    "Wir haben einen signifikanten Effekt der Herkunft auf die Leistung festgestellt", sagte Kai Maaz, Professor an der Universität Potsdam. Er ist einer der Autoren der Studie, die im Auftrag der Vodafone-Stiftung durchgeführt und am Mittwoch (14.12.2011) vorgestellt wurde.

    • Die unterschiedlichen Schulleistungen von Kindern aus einfachen und gehobenen Verhältnissen sind der Studie zufolge zur Hälfte dadurch erklärbar, dass Kinder aus sozial ungünstigen Milieus zu Hause weniger gefördert werden oder schlechtere Arbeitsbedingungen haben. 
    • Zu 25 Prozent liegen die Ursachen in der Schule, nämlich bei der Zensurengebung durch die Lehrer. "Kinder aus Akademikerfamilien bekommen trotz gleicher Leistung in schriftlichen Tests bessere Noten", sagte Maaz.
      _______________________________

    • Ob Schüler aus Einwandererfamilien stammen, ist nicht entscheidend. Wichtig sind vielmehr die soziale Stellung der Eltern, ihre Ausbildung sowie der Stellenwert von Bildung - ausgedrückt in Bücherbesitz. 
    • Auch das Geschlecht der Schüler spielt eine Rolle. So bekommen Mädchen im Durchschnitt etwas bessere Zensuren als Jungen. Das erklären sich die Autoren dadurch, dass Mädchen sich in der Schule mehr anstrengen.

    Die Noten sind das entscheidende Kriterium dafür, auf welche Schulart ein Kind nach der vierten oder sechsten Klasse geht. Dass Lehrer hier auch herkunftsabhängig entscheiden, bestreitet selbst Marianne Demmer, Schulexpertin der Lehrergewerkschaft GEW, nicht: "Lehrkräfte haben im Hinterkopf: Kriegt das Kind zu Hause die notwendige Unterstützung, um es am Gymnasium zu schaffen?" 


    • Der Schweizer Forscher Franz Baeriswyl, der ebenfalls zum Autorenteam gehört, plädiert dafür, Noten überflüssig zu machen. Er sagt: "Sie haben nur geringen Aussagewert über die individuelle Leistungsfähigkeit der Schüler."
      Quelle: taz Dezember 2011 (gekürzt)

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      Sein Weg zu einem der renommiertesten Politikanalysten wissenschaftlicher Provenienz, das ergibt schon ein flüchtiger Blick ins Archivmaterial, muss ein zäher gewesen? Franz Walter bejaht.

      [...] Franz Walter ist bekannt aus den Medien, aus Talkshows und Podiumsdiskussionen. Ein eher kleiner, wuchtiger Mann mit zotteligem Haar und gemütlichem T-Shirt über der beuligen Jeans. Man könnte nicht nur, man darf ihn stellenweise für prollig halten - "was soll ich dagegen sagen? Ich bin ein Spross der Arbeiterklasse." Er kann mitreißend reden, er kann pointieren, schriftlich wie mündlich. "Auf meine Rhetorik kann ich mich immer verlassen", das sei schon zu Studententagen in Bielefeld so gewesen.
      ...
       "Ich habe Glück gehabt!" - Seine Eltern grübelten tagelang, ob das auch in Ordnung gehe, aber die Lehrerin Franz Walters riet ihnen zu. So landete das Kind des Jahrgangs 1956 auf dem Gymnasium im niedersächsischen Bad Pyrmont: "Ein Ort, in dem es üblich war, dass die Eltern der Schüler und Schülerinnen Ärzte waren oder Beamte." Kaum jedoch waren dort Schüler wie er, der Plattdeutsch sprechend aufgewachsen ist, der "mir" und "mich" nicht zu unterscheiden vermochte, ein Kind, das sich nicht blamieren wollte und nun sagte: "Im Unterricht habe ich nichts gesagt. Aus Scheu wohl, aus Angst."[...]

      Gut in der Schule sei er trotzdem nicht gewesen: "Ich war ständig vom Sitzenbleiben bedroht. Eigentlich hätte ich mit der Mittleren Reife abgehen sollen."
      Dann hörte er auf einer Sitzung mit Schülervertretern, es war die hohe Zeit der Proteste bis ins letzte Klassenzimmer, einen Schülerfunktionär -  heute ein renommierter Historiker. "Vielleicht weiß er es gar nicht, vielleicht kennt er mich nicht, jedenfalls, ein Satz von ihm auf dieser Konferenz hat damals mein Schul- und Studierleben verändert."[...]

      Die ganze Geschichte lesen Sie in der taz vom 17./18. 12. 2011 

    Eingestellt von udopia-04 um 13:14 Keine Kommentare:
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    Freitag, 16. Dezember 2011

    Kompetenzraster. Von Liebe und schierem Grauen.

    Die Meinungen über die Rolle der Kompetenzraster gehen in der Pädagogik und in der Erziehungswissenschaft auseinander.

    Auf der einen Seite der Skala 
    stehen Pädagogen wie Andreas Müller, von dem man mit Fug und Recht sagen kann, er sei "verliebt in Kompetenzraster". Auf einer Webseite des Netzwerks "Archiv der Zukunft" wird er vorgestellt:
    "[...] Die Erkenntnisse seiner intensiven praktischen und theoretischen Auseinandersetzung mit den relevanten Fragen des Lernens in einer sich rasant verändernden Gesellschaft finden sich in mehreren Fachbüchern und einer grossen Anzahl von weiteren Publikationen. [...]"
     
    Was ein Schüler können muss, was eine Lehrerin können muss, was ein Lerncoach können muss, alles wird fein säuberlich zerlegt in Kompetenzen, ( - bei deren Lektüre man allerdings schwer zu kämpfen hat, will man nicht nach der zehnten Zeile einschläfern). Andreas Müller ist Schulleiter des Instituts Beatenberg in der Schweiz, einer kleinen Privatschule mit insgesamt (!) um die 50 SchülerInnen. Er publiziert viel, wird viel gelesen und schreibt spannend, (wenn man nicht gerade Kompetenzraster lesen muss ;-).

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    Eingestellt von udopia-04 um 13:30 Keine Kommentare:
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    Von Bananen, Diplomen und Kompetenzrastern

    Egal, ob ich in Stuttgart, Paris oder London bei McDonald’s einen Cheeseburger bestelle: Ich weiß ziemlich genau, was mich erwartet.

    Und wenn eine deutsche Supermarkt-Kette in Lateinamerika Bananen ordert, dann weiß sie im Voraus, wie die Bananen schmecken werden, welche Farbe sie haben werden, wie lang und wie dick sie sein werden und wie krumm die Banane sein wird - egal ob sie aus Nicaragua oder Kolumbien importiert wurde. Dafür sorgt der global agierende Konzern Chiquita Brands International, Inc. (und andere).



    Beides sind Folgen und Notwendigkeiten der Globalisierung: Bananen und Hamburger haben bestimmte Kompetenzen (o.k. - bei ihnen wird es anders genannt -) und werden nach bestimmten Kompetenzrastern hergestellt bzw. gezüchtet.


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    Globalisierung und Bildung


    So ähnliche Folgen (und Notwendigkeiten?) hat die Globalisierung auch in der Bildungspolitik. Es fing an mit den Sprach-Zeugnissen:
    Egal, ob eine Schülerin im Goethe-Institut in Schanghai oder Rio de Janeiro Deutsch gelernt hat: Wenn in ihrem Sprach-Diplom "B1" steht, dann können sich die deutsche Ausländerbehörde und die Schule in Deutschland darauf verlassen: Wo B1 im Zeugnis steht, da ist auch B1 im Menschen drin. Dafür sorgen die Kompetenzraster für Sprachdiplome.

    Weiter ging es im europäischen Bologna-Prozess mit den Bachelors und Masters: Wer weiß schon in China so genau, was ein deutscher Diplom-Physiker so alles kann. Aber wenn in China nun ein Physiker für eine Solar-Fabrik gebraucht wird, dann weiß man dort: Wo "Master der Physik" drauf steht, da ist auch ein Meister der Physik drin, egal ob das Diplom in Berlin oder Athen ausgestellt wurde.
    Dafür muss man nur in den Kompetenzrastern und Portfolios des Studienganges nachschlagen.

    Und nun kommt die Standardisierung, die im Zeitalter der Globalisierung hilfreich (und notwendig?) ist, auch auf die Schulen in Deutschland und anderswo zu, promotet von den international tätigen Bildungskonzernen wie Bertelsmann und seiner Stiftung, die viel für die Bildung tut - mit dem erklärten Ziel, die Bildung global marktwirtschafts-kompatibel und -freundlich zu gestalten. (So wie vorher schon die Bananen, Gurken, Sprachdiplome und Universitäts-Abschlüsse. Jetzt sind die Schulabschlüsse an der Reihe.)


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    Muss das ein Fehler sein?

    Die Meinung der Pädagogen und Pädagoginnen ist sehr geteilt.

    (Dazu mehr in einem anderen Post. ...)


    Einige Gesichtspunkte: 
    • Eine Kompetenz-Beschreibung sagt mehr aus als eine einfache Fachnote wie z.B. "Mathematik 2". -  Eine 2 in Klasse 9 des Gymnasiums A ist mit einer 2 in Klasse des Gymnasiums B in derselben Stadt oder auch in einer anderen Stadt nachweislich nicht vergleichbar. Schon gar nicht mit der Note eines gleichaltrigen Schülers in einer High-School in den USA oder in China. Noten sind relativ inhaltsleer, da sie als solche nicht beschreiben, was ein Schüler oder eine Schülerin konkret beherrscht. - Noten dienen eher als ein einfaches Hilfsmittel, um der Auslesefunktion, die Schule hat, (scheinbar) gerecht zu werden und die Selektion (scheinbar) objektiv zu machen.
    • Eine Liste von Kompetenzrastern kann SchülerInnen zeigen, was von ihnen konkret erwartet wird; was sie vorweisen, wissen und können müssen, um ein bestimmtes Ziel, z.B. einen bestimmten Schulabschluss, ein bestimmtes Diplom oder Zertifikat, zu erreichen. Ebenso den Lehrkräften, die genau wissen, welche skills ihre SchülerInnen ggf. erreichen wollen.
    • Auch Eltern kann mit einem Katalog, der Kompetenzen auf verschiedenen Kompetenzniveaus beschreibt, veranschaulicht werden, was von ihren Kindern erwartet wird, wo das Kind derzeit steht und wo es noch Lücken hat, wenn es dieses oder jenes Ziel erreichen will oder erreichen soll.
    • In manchen Schulen hat jede/r Schüler/in ein Buch mit Kompetenzrastern, in das Punkte geklebt oder Häkchen gemacht werden, wenn eine bestimmte Kompetenz nachgewiesen wurde; dabei spielt der Zeitpunkt der Kompetenz-Erreichung keine Rolle. Die SchülerInnen erreichen eine bestimmte Kompetenz nicht im Gleichschritt, (also z.B. durch eine Klassenarbeit, die von allen SchülerInnen zur gleichen Zeit im gleichen Raum geschrieben werden muss), theoretisch kann jede/r Einzelne die Kompetenz zu einem beliebigen Zeitpunkt nachweisen.
    • Kompetenzraster erfassen den Menschen niemals in seiner Ganzheit. Sie beschreiben - in zum Teil sehr komplizierten, abstrakten Litaneien - Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in den Bildungsstandards vorgegeben sind und von denen andere Menschen meinten, dass diese nötig seien -  mehr aber auch nicht. Der Mensch als Ganzes hat viele Fähigkeiten, Eigenschaften, Fertigkeiten, die von diesem Raster nicht erfasst werden, vielleicht auch nur sehr schwer von einem Raster erfasst werden könnten, selbst wenn man das wollte.  Und die vielleicht wertvoller sind, als das, was im Kompetenzraster beschrieben wird.
    • Ein wesentliches Motiv für die Erstellung von Kompetenzrastern war es, den Menschen als eine Arbeitskraft und Ware zu sehen, die international und global vergleichbar, austauschbar und handelbar sein soll. Nicht Wert und Würde des Menschen sind zentral, nicht seine persönliche Entwicklung zu dem, der er ist - sondern seine Brauchbarkeit.
    • Es kann für einen Menschen durchaus hilfreich sein, wenn er in ein anderes Land ziehen will, auswandern will, einem potenziellen Arbeitgeber am anderen Ende unseres Planeten ohne große Umstände seine Fähigkeiten anhand eines Kompetenzrasters zufaxen oder zumailen zu können. Besonders plausibel ist das z.B. bei den Sprachdiplomen. -  Es kann aber nicht Ziel von Schule sein, einen Menschen (allein) als Ware zu behandeln und seine Schul und Lebenszeit damit zu vergeuden, ihn für potenzielle Abnehmer seiner Arbeitskraft brauchbar zu machen. - Das könnte auf andere Art und Weise schneller geschehen. 
    • Der Mensch ist gezwungen, sein Können als Ware auf dem Arbeitsmarkt anzubieten, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das alleine kann aber vom Bildungssystem nicht zum alleinigen Zweck von Bildung gemacht werden, es ist nur Teil eines Ganzen.





























    Eingestellt von udopia-04 um 12:23 Keine Kommentare:
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    Mittwoch, 7. Dezember 2011

    Bildungsreform Baden-Württemberg 2011



    Seit die bleierne Mappus-Zeit in Baden-Württemberg vorbei ist und eine grün-rote Koalition an der Regierung, bewegt sich auch in BW etwas in der Bildungspolitik.Das Interesse an Gemeinschaftsschulen im Land wachse weiter, sagte die neue Kultusministerin. Inzwischen haben sich Schulträger und Schulleiter von bereits rund 200 Schulen nach Möglichkeiten erkundigt, eine Gemeinschaftsschule aufzubauen.

    ___________________________________

    Die Gemeinschaftsschule beinhalte mehrere Vorteile:


    • Sie bringe mehr Chancengerechtigkeit,
    • sie biete den Rahmen für die bestmögliche individuelle Förderung
    • und sie sichere insbesondere in ländlichen Räumen wohnortnahe Schulstandorte mit einem breiten Angebot an Schulabschlüssen.
    • Aber wir wollen auch international endlich nach vorne kommen", betonte die Kultusministerin.

    Die Konzeption basiert inhaltlich darauf, individuelle Angebote für Schülerinnen und Schüler in heterogenen Lerngruppen zu machen. Deshalb sollen Jungen und Mädchen mit Grundschul-Empfehlungen aller weiterführenden Schularten in den gemeinsamen Lerngruppen aufgenommen werden.

    Die Lehrkräfte richten sich dabei nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit der einzelnen Schülerinnen und Schüler, sie erhalten Aufgaben nach ihrem jeweiligen Niveau.


    Hier zeige sich einer der großen Unterschiede zum traditionellen Unterricht:


    • Es geht nicht mehr darum, den Unterricht nach dem durchschnittlichen Leistungsstand abzuhalten, wobei sowohl die schwächeren als auch die guten Schüler zu kurz kamen. Sondern die tatsächlichen Fähigkeiten werden gefördert.
    • Damit unterscheidet sich die Gemeinschaftsschule auch von der alten Gesamtschule, die Kinder in Kurse mit unterschiedlichen Niveaus einstuft.

    Zudem spiele an der Gemeinschaftsschule das gruppenorientierte Lernen und die Zusammenarbeit zwischen den Pädagoginnen und Pädagogen eine wichtige Rolle. 


    Zum Schuljahr 2012/13 soll eine erste Tranche von etwa 30 Schulen an den Start gehen.


    Schau`n wir mal....


    Quelle: kultusportal-bw.de



    Eingestellt von udopia-04 um 16:59 Keine Kommentare:
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    Sonntag, 4. Dezember 2011

    10 Jahre PISA. Oder: Vom Sputnik-Schock zum PISA-Schock.

    A mark, a yen, a buck or a pound
    ...a buck or a pound
    ...a buck or a pound.
    Is all that makes the world go around
    ...


    singt Liza Minneli im Musical Cabaret (das in der Film-Version acht Oscars gewonnen hatte).

    ____________________________________

    Weiterlesen »
    Eingestellt von udopia-04 um 17:46 Keine Kommentare:
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    Individualisiert lernen statt 7-G-Unterricht

    Im traditionellen lehrkraft-zentrierten Unterricht bekommen alle SchülerInnen einer Klasse das Gleiche vermittelt. Zugespitzt sähe das dann so aus: 

    Die SchülerInnen einer Klasse
    • sind (in etwa) im gleichen Alter 
    • und sollen zur gleichen Zeit,
    • bei der gleichen Lehrkraft,
    • auf die gleiche Art und Weise,
    • im gleichen Tempo,
    • die gleichen Inhalte lernen,
    • um damit die gleichen Lern-Ziele
    • gleich gut erreichen.
    Ok – das sind nun 8 Gs geworden   __________________________________________
     

    Bild: schulpsychologie.de


    In vielen Schulen in Deutschland und anderswo (vielleicht muss man auch zutreffender sagen: „anderswo und in Deutschland?) ist diese Art des Unterrichts oldstyle, Schnee von gestern. In den meisten Schulen werden tagtäglich die unterschiedlichsten Methoden angewandt. 
    Wiederum zugespitzt:

    Der Gold-Standard scheint heute zu sein:

    • Individualisiert zu lernen
    • projekt- und handlungsorientiert 
    • in Epochen
    • mit Lerntagebüchern
    • mit Portfolios
    • anhand von Kompetenzrastern
    • mit Förder-, Lern-, und/oder Entwicklungsplänen,
    • in heterogenen Lern-Gruppen,
    • die SchülerInnen werden gecoacht von LehrerInnen, die nun LernbegleiterIn und/oder Lerncoach heißen
    • die SchülerInnen heißen nun Lernende. Und vielleicht heißen SchülerInnen & LehrerInnen auch gemeinsam Lern-PartnerInnen (so wie zum Beispiel in den Lernhäusern von Peter Fratton in der Schweiz oder (von ihm und seiner Frau inspiriert und begleitet) in der privaten „Freie Schule Anne Sophie“ in Deutschland (Künzelsau und Berlin).
    Ist das nun gut so? 
    Oder der aktuell gültige Irrtum? 
    Oder neuer Wein in alten Schläuchen? 
    Oder alter Wein in neuen Schläuchen?
    Oder wird die Schülerin mit dem Bade ausgeschüttet?

    __________________________________________

    "Die Realisation »innovativer Methoden" ist nicht per se guter Unterricht."

    "Die »beste« Unterrichtsmethode gibt es nicht und kann es nicht geben:
    • Gut wofür?
    • Gut gemessen an welchem Kontext?
    • Gut für wen? "
      Beide Zitate von Andreas Helmke
    __________________________________________


    Dazu mehr in diesem Blog.

    Siehe auch:

     Der Geburtsfehler der Gemeinschaftsschulen in BW
    und
    In der Gemeinschaftsschule lernen alle
     
    Eingestellt von udopia-04 um 13:20 2 Kommentare:
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