Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung
Die Carlottas und Leonhards gehen häufiger aufs Gymnasium als die Kevins und Jennifers. Das ist seit der ersten Pisastudie bekannt.
- Wenn sich die soziale Herkunft nun nicht mehr auf die schulische Leistung auswirkte, dann würde der Anteil der Arbeiterkinder an Gymnasiasten auf einen Schlag von derzeit knapp 20 auf über 30 Prozent steigen.
Das haben Wissenschaftler neu ausgerechnet, als sie auf Basis vorhandener Daten aus Deutschland und der Schweiz untersuchten, wie stark die Herkunft der Kinder auf die Benotung und den Übergang an eine Oberschule durchschlägt.
"Wir haben einen signifikanten Effekt der Herkunft auf die Leistung festgestellt", sagte Kai Maaz, Professor an der Universität Potsdam. Er ist einer der Autoren der Studie, die im Auftrag der Vodafone-Stiftung durchgeführt und am Mittwoch (14.12.2011) vorgestellt wurde.
- Die unterschiedlichen Schulleistungen von Kindern aus einfachen und gehobenen Verhältnissen sind der Studie zufolge zur Hälfte dadurch erklärbar, dass Kinder aus sozial ungünstigen Milieus zu Hause weniger gefördert werden oder schlechtere Arbeitsbedingungen haben.
- Zu 25 Prozent liegen die Ursachen in der Schule, nämlich bei der Zensurengebung durch die Lehrer. "Kinder aus Akademikerfamilien bekommen trotz gleicher Leistung in schriftlichen Tests bessere Noten", sagte Maaz.
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- Ob Schüler aus Einwandererfamilien stammen, ist nicht entscheidend. Wichtig sind vielmehr die soziale Stellung der Eltern, ihre Ausbildung sowie der Stellenwert von Bildung - ausgedrückt in Bücherbesitz.
- Auch das Geschlecht der Schüler spielt eine Rolle. So bekommen Mädchen im Durchschnitt etwas bessere Zensuren als Jungen. Das erklären sich die Autoren dadurch, dass Mädchen sich in der Schule mehr anstrengen.
Die Noten sind das entscheidende Kriterium dafür, auf welche Schulart ein Kind nach der vierten oder sechsten Klasse geht. Dass Lehrer hier auch herkunftsabhängig entscheiden, bestreitet selbst Marianne Demmer, Schulexpertin der Lehrergewerkschaft GEW, nicht: "Lehrkräfte haben im Hinterkopf: Kriegt das Kind zu Hause die notwendige Unterstützung, um es am Gymnasium zu schaffen?"
- Der Schweizer Forscher Franz Baeriswyl, der ebenfalls zum Autorenteam gehört, plädiert dafür, Noten überflüssig zu machen. Er sagt: "Sie haben nur geringen Aussagewert über die individuelle Leistungsfähigkeit der Schüler."
Quelle: taz Dezember 2011 (gekürzt)
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Sein Weg zu einem der renommiertesten Politikanalysten wissenschaftlicher Provenienz, das ergibt schon ein flüchtiger Blick ins Archivmaterial, muss ein zäher gewesen? Franz Walter bejaht.
[...] Franz Walter ist bekannt aus den Medien, aus Talkshows und Podiumsdiskussionen. Ein eher kleiner, wuchtiger Mann mit zotteligem Haar und gemütlichem T-Shirt über der beuligen Jeans. Man könnte nicht nur, man darf ihn stellenweise für prollig halten - "was soll ich dagegen sagen? Ich bin ein Spross der Arbeiterklasse." Er kann mitreißend reden, er kann pointieren, schriftlich wie mündlich. "Auf meine Rhetorik kann ich mich immer verlassen", das sei schon zu Studententagen in Bielefeld so gewesen.
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"Ich habe Glück gehabt!" - Seine Eltern grübelten tagelang, ob das auch in Ordnung gehe, aber die Lehrerin Franz Walters riet ihnen zu. So landete das Kind des Jahrgangs 1956 auf dem Gymnasium im niedersächsischen Bad Pyrmont: "Ein Ort, in dem es üblich war, dass die Eltern der Schüler und Schülerinnen Ärzte waren oder Beamte." Kaum jedoch waren dort Schüler wie er, der Plattdeutsch sprechend aufgewachsen ist, der "mir" und "mich" nicht zu unterscheiden vermochte, ein Kind, das sich nicht blamieren wollte und nun sagte: "Im Unterricht habe ich nichts gesagt. Aus Scheu wohl, aus Angst."[...]
Gut in der Schule sei er trotzdem nicht gewesen: "Ich war ständig vom Sitzenbleiben bedroht. Eigentlich hätte ich mit der Mittleren Reife abgehen sollen."
Dann hörte er auf einer Sitzung mit Schülervertretern, es war die hohe Zeit der Proteste bis ins letzte Klassenzimmer, einen Schülerfunktionär - heute ein renommierter Historiker. "Vielleicht weiß er es gar nicht, vielleicht kennt er mich nicht, jedenfalls, ein Satz von ihm auf dieser Konferenz hat damals mein Schul- und Studierleben verändert."[...]
Die ganze Geschichte lesen Sie in der taz vom 17./18. 12. 2011
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