Mittwoch, 11. Mai 2016

"Der Imam fiel in Ohnmacht". - Imam-Schule als geistige Terrorbekämpfung.

İmam bayıldı ~ Der Imam fiel in Ohnmacht

Quelle: Ichkochdichtürkisch

»İmam bayıldı (türkisch für „Der Imam fiel in Ohnmacht„) ist ein bekanntes vegetarisches Gemüsegericht
in Olivenöl aus gefüllten, geschmorten Auberginen.
Der Legende nach soll der Imam, als er das Gericht zum ersten Mal probierte, aufgrund des äußerst köstlichen Geschmacks entzückt gewesen sein, bzw. soviel davon gegessen haben bis er umfiel.

Im Türkischen ist das Wort „bayıldı“ doppeldeutig zu verstehen, es bedeutet sowohl „entzückt“ als auch „in Ohnmacht gefallen“. Daher also der Name.
İmam bayıldı gehört zu den leichten und schmackhaften Gemüsegerichten in Olivenöl und kann deshalb warm als Hauptgericht oder kalt als Meze genossen werden.«


Weniger entzückt war Mohammed Maghraoui
aus Marrakesch, Herr über 60 Koranschulen in Marokko, als ihm sein Gerichts-Urteil serviert wurde, denn:

"Marokkos König verschärft Kontrolle über Imame" 

berichtete (u.a.) DIE WELT schon im Jahre 2008: 
"Mohammed VI.,
König von Marokko, will einen moderaten Islam fördern und den religiösen Extremismus in den Griff bekommen. Radikales Denken soll aufgespürt werden, bevor aus normalen Menschen indoktrinierte Islamisten werden. Deshalb will er Imame stärker kontrollieren [...]".  

DIE WELT u.a. berichtete damals über Scheich Mohammed Maghraoui: Seine Webseite wurde von der Regierung blockiert, sein Büro in Marrakesch und seine 60 über das Land verteilten Koranschulen geschlossen.
Er wurde vor Gericht wegen Befürwortung von Kindesmissbrauch und Vergewaltigug angeklagt.
Der Oberste Theologenrat unter Vorsitz von König Mohammed VI. bezeichnete den Scheich als "Agitator" und verurteilte seinen "Missbrauch von Religion zur Rechtfertigung der Verheiratung von neunjährigen Mädchen".

Quelle: Frankfurter Rundschau

Warum? Er sei sich keiner Schuld bewusst.

"Ich bin ein ausgewiesener Theologe und habe das alles nicht erfunden; Prophet Mohammed hat Aisha geheiratet, als sie sieben war, und die Ehe mit ihr vollzogen, als sie neun Jahre alt war." 

"Mit dieser Argumentation konnte der Scheich allerdings niemanden von der Korrektheit seiner Fatwa (Lehrmeinung) überzeugen." [Quelle

Wer mehr über Aischa und Mohammed wissen möchte, kann z.B. dieses Buch lesen:


»Farbenprächtiger historischer Roman über die Anfänge des Islams. Im 7. Jahrhundert n. Chr. macht ein neuer Prophet in Arabien auf sich aufmerksam. Seine Botschaft der Erleuchtung fegt durch das Land wie ein Wüstensturm und einigt die zerstrittenen Stämme auf der arabischen Halbinsel.
Seine junge Frau Aisha begleitet ihn auf diesem Weg: vom Propheten zum Krieger zum Staatsmann. Aber in der Stunde des größten Triumphes, der Rückeroberung von Mekka, wird Mohammed plötzlich krank und stirbt in den Armen seiner Lieblingsfrau. Von nun an wird sie ihren eigenen Weg gehen: Sie wird das Andenken ihres Mannes bewahren und Lehrerin, politische Führerin und Kriegerin werden.
"Gut erzählt und genau recherchiert - eine wunderbare Geschichte!" « (Fischer Taschenbuch 2011, ca. 11 Euro)
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Der Direktor der kostenlosen staatlichen Imam-Schule in Marrakesch (Hörsäle, Moschee, zwei Kantinen, Sportplatz, Fitness-Center für Imam-Studierenden aus sieben Nationen) sagt:
"Warum investiert die Welt Milliarden in Waffen zur Terrorismus-Bekämpfung? Marokko kämpft hier. Und die Welt sollte uns bei dieser geistigen Terrorbekämpfung, beim Unterricht des richtigen Islam, unterstützen."
Der marokkanische Islam ist das Gegenstück zur wahabitischen Schule aus Saudi-Arabien. Mohammed VI. will den Einfluss des wahabitischen Islam eindämmen: Toleranz und Offenheit statt Ausgrenzung. Eine Imam-Schüler aus Guinea:

Unsere Eltern haben diese [tolerante und offene] Interpretation des Islam gelernt. Dann kam der Einfluss aus Saudi-Arabien, wo eine andere Interpretation des Islam vorherrscht. Und jetzt kehren, wir, die hierhin geschickt wurden, wieder zu dem Islam zurück, der die richtigen Regeln lehrt.

Wer zu den ca. 45.000 islamischen Predigern in Marokko gehören will, der muss hier in Marrakesch seine Ausbildung zum Imam absolvieren. Das staatliche Religionsministerium entscheidet dann über ihren Einsatz und kontrolliert auch ihre Predigten - so wie in Deutschland auch die PfarrerInnen von ihrer Kirche "visitiert" werden. -  In Marokko ist der König zugleich Oberhaupt der islamischen Gläubigen - so wie in Großbritannien die Königin/der König zugleich Oberhaupt der Anglikanischen Kirche ist. Frauen werden ebenfalls am Institut ausgebildet (jedoch nicht als Imame), etwa 100 Frauen und 900 Männer verlassen die Schule jedes Jahr. - Marokko versteht das als Teil der Terrorismus-Bekämpfung. [Quelle]
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Noch ein Buch:

Zum Buch
»Erstmals für den deutschsprachigen Raum: eine zeitgenössische islamische Theologie. Mouhanad Khorchide zeigt, wie der Islam aus sich selbst heraus zu einem Selbstverständnis kommen kann, das eine fundamentale Wende hin zu einer Theologie eines barmherzigen Gottes vollzieht. - Die überarbeitete und erweiterte Taschenbuchausgabe antwortet auf Vorwürfe aus fundamentalistischen Kreisen, einige der im Buch vertretenen Positionen seien nicht mit dem Islam vereinbar.
Mouhanad Khorchide sorgt für Klarheit. "... ein revolutionäres Projekt, das er in seinem Buch überzeugend demonstriert." Professor Dr. Angelika Neuwirth«

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FAZ (Besprechung von 13.10.2012 a.a.O., Auszüge):
Er ist einer der bekanntesten muslimischen Gelehrten in Deutschland, gerade einmal 41 Jahre alt und will nicht weniger, als den Islam aus seinen zentralen Schriften von innen heraus zu reformieren: Mouhanad Khorchide, seit zwei Jahren Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Khorchide, der als Sohn palästinensischer Flüchtlinge im Libanon geboren wurde, wuchs als staatenloser Ausländer im streng religiösen Saudi-Arabien auf. Zum Studium der Soziologie ging er nach Wien . Er bekam die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mouhanad Khorchide, Quelle
Später nahm er ein Fernstudium der Islamwissenschaft in Beirut auf. Er war als Imam tätig und erteilte islamischen Religionsunterricht. Seine Dissertation wurde ein Fanal: Er befragte die Hälfte der 400 islamischen Religionslehrer in Österreich und fand heraus, dass ein Drittel "rechtsstaatliche Prinzipien" ablehnte und ein Fünftel die Demokratie. Nahezu 14 Prozent hielten die Teilnahme an Wahlen für unvereinbar mit dem Islam. Darauf kam es zum Konflikt mit den dortigen muslimischen Verbänden, Khorchide verlor seine Lehraufträge.
Für ihn kam die Errichtung der vier islamischen Zentren an deutschen Universitäten also gerade zum richtigen Zeitpunkt.
Herder Verlag Freiburg 2012, 220 Seiten, 18,99 Euro.