Als er dort die Grundschule besuchte, waren fast alle Kinder wie er ausländischer Herkunft. "Da war die halbe Welt", sagt er. Damals wandelte sich der Bezirk langsam zu einem Problemkiez: Die Industrie wanderte ab, viele der ehemaligen "Gastarbeiter", die dort wohnten, wurden arbeitslos, und in die billigen Altbauten im Kiez zogen immer mehr Flüchtlinge aus dem Libanon ein. Sechs vom Bürgerkrieg traumatisierte Kinder kamen damals auch in seine Klasse, sagt Nizar Rokbani: "Die waren wie unter Strom." Aber seine Lehrer meinten nur, er sei "doch auch Araber", und setzen sie zusammen.
Was hätte der moderne Lerncoach getan? ......................................................
Manche dieser ehemaligen Mitschüler sind mittlerweile tot - durch Heroin, das sie erst verkauft und dann selbst genommen haben. Auch sein jüngerer Bruder geriet in diese Kreise, inzwischen ist er clean. Er selber hielt sich zwar von den Drogen fern, aber ein guter Schüler war er trotzdem nicht: "Ich konnte bis zur vierten Klasse meinen Nachnamen nicht schreiben, ich war mehr so der Klassenclown", sagt er.
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"Aber in der Schule war es immer noch besser als zu Hause."
Denn zu Hause führte der Vater ein patriarchales Regiment, und es setzte öfters mal auf Prügel. Zum Glück war da noch seine Mutter, die dem Jungen mit ihrem Fleiß ein Vorbild war. Sie stellte sich auch quer, als er nach der zehnten Klasse die Schule mit einem Realschulabschluss verlassen wollte. "Gefühlt etwa tausend Bewerbungen" hatte er da geschrieben, erzählt er, und mit Glück und Mühe einen Ausbildungsplatz bei einem Glühbirnenkonzern ergattert. Doch als er ihr voller Stolz seinen Ausbildungsvertrag zeigte, riss seine Mutter diesen kurzerhand in Stücke. "Dafür bin ich nicht nach Deutschland gekommen", lautete ihr knapper Kommentar.
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Die Mutter bestand darauf, dass ihr Sohn zumindest das Abitur machen sollte. Letztlich hat er ihr sogar seine Berufswahl zu verdanken, denn schon als Schüler half er ihr dabei, Hotelzimmer und Toiletten zu putzen. "So bin ich zur Hotellerie gekommen", sagt der Junge heute. "Eine klassische Hotelausbildung habe ich nie gemacht."
Später jobbte er neben dem Studium an der Rezeption eines kleinen Hotels, und nach seinem Abschluss eröffnete er 1998 mit einem Geschäftspartner in Berlin-Schöneberg sein erstes Studentenhotel.
Zwei Lehrer waren in seinem Leben besonders wichtig.
- Der eine sorgte dafür, dass das Kind tunesischer Gastarbeiter trotz Hauptschulempfehlung auf ein Wirtschaftsgymnasium wechseln konnte.
- Der andere brachte ihm in der neunten Klasse den Wirtschaftsteil der Zeitung mit und forderte ihn auf, bis zum Ende des Schuljahrs das Wirtschaftsjahr zu bilanzieren.
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Der ganze Text stammt von Daniel Brax, der das Porträt erstellte, und stand in der taz vom 3.7.2014; dort können Sie die Geschichte nachlesen.
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