spannt sich eine Kette von Trennungen und mit ihr eine Serie von Trennungsängsten. Als Baby schreien wir, wenn wir uns von der Mutter verlassen fühlen. Wenn wir laufen lernen, blicken wir uns ängstlich immer wieder nach Mutter und Vater um. Und doch wollen wir laufen lernen. Einerseits streben wir mit unbändigem Vergnügen von den Eltern weg, andererseits möchten wir uns ihrer haltgebenden Präsenz versichern. Einssein und Autonomie - zwischen diesen beiden Polen bewegt sich das principium individuationis, das Gesetz der Ich-Werdung, bei jedem Lebewesen.
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Wir verlassen die Kleinstwelt des Laufstalles,
das Territorium des Hauses, des Gartens, der Straße, wir entfernen uns in die weitere Umgebung. Wir schlafen zum ersten Mal, mit Herzklopfen und leisem Heimweh in der Brust, bei den Großeltern. Wir müssen die Abwesenheit der Eltern aushalten.
Der Eintritt in die neue Welt des Kindergartens und gar in das Ensemble der ersten Schulklasse und den strengen Kosmos der Leistungen und Noten schaffen wir meist nur mit Tränen. Nicht umsonst bestücken uns die Eltern beim Schuleintritt mit einer Megapackung von Antidepressiva, sprich der Schultüte mit den - höchst ungesunden - Stimmungsaufhellern und Sedativa aus Fabrikzucker ..."
Sabine: "Ich für meinen Teil habe die Schule vollgestopft mit Wissen, aber als Analphabetin der Gefühle verlassen. Ich sehe, dass unsere so genannte Zivilisation auf einer pathologischen Verdrängung der Gefühle beruht. Für mich bedeutet das eine absolute Bewusstseinsverengung. . . .
Und gleichzeitig kommt so eine Wut in mir hoch. Ich weiß gar nicht, soll ich sagen, auf diese Zeit, auf diese Gesellschaft, die Schule, die Erziehung, die mir so absolut gar kein Wissen, gar kein bisschen Handwerkszeug mitgaben, um wenigstens etwas von dem zu erahnen, was an menschlichen Krisen zum Leben gehört, was Beziehung auch bedeuten kann." ...
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Wir wissen nicht, wann Sabine zur Schule ging und ob sie ihre Schulzeit "richtig" erinnert.
Heute bieten die Bildungspläne der Schulen zahlreiche Gelegenheiten und Möglichkeiten, den Umgang mit Gefühlen verbal oder nonverbal, explizit oder implizit zu thematisieren:
Im Theaterspiel, in der Deutsch-Lektüre (z.B. Ben liebt Anna, die Verwirrungen des Zöglings Törleß, Unterm Rad, Fänger im Roggen, Sieben Minuten nach Mitternacht, Die Mitte der Welt), im Religions- und Ethik-Unterricht (Freundschaft-Liebe-Partnerschaft, Sterben-Tod-Auferstehung, Lot und Abraham, David und Jonathan, Sodom und Gomorrha, das Hohe Lied der Liebe).
Die Möglichkeiten müssen nur beim Schopf ergriffen werden.
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