Sonntag, 6. Oktober 2013

Der Schüler und die Schülerin als Human-Kapital, die OECD, PISA und Ethos

"Humankapital, Bildung, wirtschaftlicher Erfolg, Wachstum. Diese vier Begriffe beherrschen die Bildungsdiskussion etwa seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in zunehmendem Maße." -  Schreibt die Ökonomie- und Philosophie-Professorin Silja Graupe, Kollegin von Jochen Krautz an der Alanus Hochschule.

Entwickungen in der Gesellschaft kommen in den Schulen stets zeitverzögert an, in den Schulen BWs scheint die Diskussion jetzt angekommen zu sein. (Siehe auch den vorigen Post).

Der Ansatz des Human-Kapitals hat seine drei Seiten:


1. Vom Lernenden aus: Ich bin ein unternehmerisches Selbst und muss in mich selber investieren (lernen, zur Schule gehen, einen Abschluss machen > mein Start-Kapital), um damit dann auf den freien Markt des Berufs-Lebens zu gehen und aus dem Anfangs-Kapital -  in Konkurrenz zu meinen Mitmenschen, die ja auch kräftig in sich investiert haben - aus meinem Start-Kapital mehr Kapital zu schlagen: Meine Frau, mein Auto, meine Villa, meine Yacht... - Meine MitschülerInnen sind meine natürlichen KonkurrentInnen im freien Spiel der Markt-Kräfte.

2. Vom Unternehmen aus: Meine Auszubildenden, meine Fachkräfte sind mein Kapital, mit dem ich wuchern kann, um gegen andere Firmen auf dem lokalen Markt oder auch auf dem Weltmarkt zu konkurrieren.

3. Von der Volkswirtschaft aus: "Was den Einzelnen betrifft. so sind die ökonomischen Erträge des Humankapitals - wie z.B. ein höheres Einkommen - zunächst einmal den Kosten gegenüberzustellen, die beim Erwerb dieses Kapitals verursacht wurden. Diese Kosten umfassen die während der Ausbildungszeit entgangenen Einnahmen sowie die durch die Bildung selbst anfallenden Kosten, wie Schul- und Hochschulgebühren usw." "Individuelle Fähigkeiten werden als bloße Form von Kapital angesehen, d.h. wie ein "Produktionsfaktor, der wie ein Spinnrad oder eine Getreidemühle, einen Ertragbringen [kann]."
Quelle: Brian Keeley, Humankapital. Wie Wissen unser Leben bestimmt. OECD Insights 2007.


Daran ist zunächst nichts Verwerfliches,
denn natürlich suche ich als Schüler nach dem Ende meiner Ausbildung einen Arbeitsplatz, mit dem ich mich und/oder die Familie ernähren kann, und als Firma suche ich Arbeitskräfte, die "etwas können", z.B. richtig schreiben und lesen.

Das Problem entsteht erst dann, wenn dieser wirtschaftliche Aspekt zum alleinigen und/oder wichtigsten Aspekt der Bildung wird, zu seinem Heiligen Gral. - Nix mit Ethik, Entfaltung der Persönlichkeit, Mit-Menschlichkeit, Wirtschafts-Ethos und sonstigem Gedöns: Wachstum, Geiz und Geld sind geil. Angebot und Nachfrage beim Bildungs-Kapital werden es schon mit der berühmten unsichtbarer Hand richten...


„In der Tat bin ich zu der Auffassung gekommen, daß der ökonomische Ansatz so umfassend ist, daß er auf alles menschliche Verhalten anwendbar ist ... Geschäftsleute oder Politiker, Lehrer oder Schüler." (Gary S. Becker 1964)

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Schon zwei Jahre nach Erscheinen des wichtigen Buches von Gary S. Becker schreibt die OECD , die auch die PISA-Studien verantwortet:

"Heute versteht es sich von selbst, daß auch das Erziehungswesen in den Komplex der Wirtschaft gehört, daß es genauso notwendig ist, Menschen für die Wirtschaft vorzubereiten wie Sachgüter und Maschinen. Das Erziehungswesen steht nun gleichwertig neben Autobahnen, Stahlwerken und Kunstdüngerfabriken, Wir können nun, ohne zu erröten, und mit gutem ökonomischen Gewissen versichern, daß die Akkumulation von intellektuellem Kapital der Akkumulation von Realkapital an Bedeutung vergleichbar - auf lange Dauer vielleicht sogar überlegen - ist.  Und man hört auch schon von Bankfachleuten, zumindest von den Wagemutigeren, daß die Erziehung und die Entwicklung des menschlichen Fähigkeitsreservoirs ein geeignetes Feld für produktivere Anleihen sein könnte."


Die Bildung der Menschen dient in diesem Welt- und Menschenbild allein dem Wachstum der Volks-Wirtschaft, nicht dem Wachstum der einzelnen Person.

"Demzufolge wird im Basisszenario als konkreter Schwellenwert für unzureichende
Bildung ein Wert von 420 PISA-Punkten verwendet. Dazu benutzen wir einen einfachen Mittelwert der Mathematik- und Naturwissenschaftsergebnisse in PISA 2000 und PISA 2003."

Bildung wird schlicht auf einen Betrag an PISA-Punkten reduziert ...  Zugleich wird Bildungsfortschritt als Erhöhung dieses Betrags definiert. Auf Basis dieser Abstraktionsleistung kann sodann scheinbar zwingend ein Zusammenhang zwischen volkswirtschaftswirtschaflichem Wachstums einerseits und Bildung andererseits postuliert werden. Es soll für die konstante langfristige Wachstumsrate gelten:

(Quelle: Wößmann, Ludger und Mare Piopiunik: Was unzureichende Bildung kostet. Eine
Berechnung der Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum. Gütersloh 2009, S.24 und 30) 
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Alternativen? Siehe auch:
Stiftung Weltethos und Wirtschaft

"Von Anfang an war die Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragen zentraler Bestandteil der Weltethos-Thematik. Erste Ergebnisse publiziert Hans Küng 1997 in seinem Buch »Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft«.
Mit Wirtschaftsethikern, Unternehmern und anderen Praktikern aus Wirtschaft und Wissenschaft hat die Stiftung Weltethos das Manifest »Weltethos – Konsequenzen für globales Wirtschaften« erarbeitet.
Bedeutsam für die Thematik »Weltethos und Wirtschaft« war das Erscheinen von Hans Küngs Buch »Anständig wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht« im Herbst 2010. Darin stellt Küng historisch fundierte Fragen an die ethische Qualität von Globalisierung und Marktwirtschaft und plädiert angesichts der Weltwirtschafts- und -finanzkrise für ein Weltethos als ethische Leitlinie einer öko-sozialen Marktwirtschaft."

Siehe:

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