Montag, 30. September 2013

Die neuen Bildungspläne 2015 und der Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung in BW

Villa Reitzenstein, Amtssitz des Ministerpräsidenten Kretschmann, mit Regenbogen-Fahne anlässlich des Empfangs für die gay and lesbian community am 28.6.2012. Der Regenbogen ist ein Symbol für Vielfalt und seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein internationales schwul-lesbisches Symbol.

Mitte September 2013 gab das Landes-Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg eine Presse-Erklärung heraus, in der es die mangelhafte bis ungenügende Umsetzung der im Koalitionsvertrag versprochenen und vereinbarten Reformen beklagt. In manchen Bereichen der Bildungspolitik ging es in den letzen beiden Jahren zu hastig zu, manch ein Kopf, inklusive der der Ministerin, rollte deshalb im Kultusministerium. - Im Punkt Toleranz und Gleichstellung erfolgte im Bildungs-Bereich allerdings noch fast nichts.

»Wir werden baden-württembergische Schulen dazu anhalten, dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird. In einem landesweiten Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung wollen wir Konzepte entwickeln, um Vorurteile abzubauen und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen.« - So heißt es im Koalitionsvertrag. 
Lesen Sie hier die Kabinetts-Vorlage (pdf) 

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Das Netzwerk schreibt in seiner Presserklärung zum neuen Schuljahr 2013/14 über den Stand der Dinge u.a.:

»Im Ringen um mehr Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und die Vielfalt von Geschlecht ist insbesondere eine aufgeklärte, tolerante Jugend ein elementarer Schlüsselfaktor.
Daher wirkt das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg – ein Zusammenschluss von über 60 Organisationen im Land - seit Monaten darauf hin, dass in den neuen Bildungsplänen umfassende Aufklärungskonzepte für Toleranz und gegen Homo- sowie Transphobie verbindlich verankert werden:

  • Sexuelle Identitäten und geschlechtliche Vielfalt müssen dabei explizit genannt und als gelebte Realitäten in der Gesellschaft verpflichtend über alle Altersklassen und Bildungseinrichtungen hinweg behandelt werden.
  • Dies hat fächerübergreifend zu erfolgen – von Gemeinschaftskunde und Geschichte über Biologie bis hin zu Deutsch etc.
  • Auch die Aus- und Weiterbildung sowie Sensibilisierung von Lehrerinnen und Lehrern ist hierbei ein entscheidender Punkt.
  • Ebenso ist die Überarbeitung des Unterrichtsmaterials bei einer klaren Orientierung an den Lebensrealitäten unserer Gesellschaft dringend geboten.
  • Anderslautenden Verlautbarungen zum Trotz fehlen in der aktuellen Debatte um die Neuordnung der Bildungspläne für 2015 Begriffe wie sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt bisher komplett.
  • Dem von der grün-roten Landesregierung angestrebten Konzept der Leitprinzipien fehlt außerdem ein sechstes Kapitel mit dem Titel „Umgang mit Vielfalt“.
Anhörung zum Aktionsplan im Landtag
Alle bisher vom Netzwerk auf unterschiedlichsten Verwaltungsebenen geführten Gespräche sowie die klaren Forderungen bei den baden-württembergischen Christopher Street Day (CSD) Demonstrationen im Sommer waren zwar durch Offenheit und Interesse von Seiten der Verantwortlichen geprägt, konkrete Verbesserungen oder gar Ergänzungen der Bildungspläne folgten aber bis dato nicht.«
Sitzung des Beirats zum Aktionsplan mit Soziaministerin Altpeter im Sozial-Ministerium, Januar 2013

Und weiter:

»Die bisher mehr als schleppende Diskussion um die Weiterentwicklung der Bildungspläne hin zu mehr Sichtbarkeit von LSBTTIQ - Menschen ist erschreckend. Jugendliche, die sich dem LSBTTIQ-Spektrum zugehörig fühlen, haben ein Recht auf Schulen in denen ihnen mit Respekt und Akzeptanz begegnet wird. Sie verdienen die Chance, angstfrei und sichtbar am schulischen Leben teilhaben zu können. Die gezielte Förderung einer Vielfaltskultur an Schulen und Bildungseinrichtungen entwickelt sich dabei zu einem klaren Gradmesser für den Erfolg des Aktionsplans und entscheidet am Ende über Gelingen oder Scheitern des ambitionierten Vorhabens der Landesregierung, Baden-Württemberg zum Vorreiter für Toleranz und Gleichberechtigung zu entwickeln.«
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Sitzung des Beirats im Januar 2013 im Sozial-Ministeriums
Anfang Oktober 2013 ist ein Gespräch von VertreterInnen des Landesnetzwerks aus dem Bildungs-Bereich und der Vorsitzenden der größten Bildungs-Gewerkschaft des Landes (Doro Moritz, GEW) mit dem neuen Kultus-Minister Stoch vorgesehen.
 
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Whistle-Blower Bradley Manning:Equality @ the classroom 
Kultusminister Stoch -

Er muss "baden-württembergische Schulen dazu anhalten,
dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung
die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird" -
und muss Konzepte für Schule&Bildung entwickeln, "um Vorurteile abzubauen
und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen.«.
(Koalitions-Vertrag)

Logo des Aktions-Plans BW
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p.s.:
Homophobie ist an deutschen Schulen weit verbreitet. 
Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes, der kürzlich in Berlin vorgelegt wurde. Nicht nur, dass „schwul“, „Schwuchtel“ oder „Lesbe“ auf vielen Pausenhöfen als Schimpfwörter gelten. Sogar ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer mache sich über Homosexualität lustig, heißt es da.  
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kommt in ihrem Bericht jetzt zu dem Schluss, dass sich die Mehrzahl der Bildungseinrichtungen in Deutschland im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen noch immer schwer tue. Viele Lehrkräfte würden selbst homophobe Einstellungen reproduzieren, und in den Schulbüchern würden zu viele Stereotype von Partnerschaft und Familie vermittelt. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder vielfältige Formen von Familie kämen kaum vor.[Quelle]

Zur Expertise "Diskriminierung im vorschulischen und schulischen Bereich" geht es hier (pdf).

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