Sonntag, 2. Juni 2013

Von Freedom-Writers, vom wahren Lerntagebuch und von der Lieben Kitty



Vielleicht haben Sie in Ihrer Schule auch Lern-Tagebücher eingeführt und haben damit gute Erfahrungen gemacht. - Dann brauchen Sie jetzt nicht weiterzulesen.

Vielleicht haben Sie aber auch Lerntagebücher in Ihrer Schule eingeführt und spüren, dass sowohl die SchülerInnen als auch Sie selber nicht so ganz wirklich begeistert sind vom Lerntagebuch. Dann helfen vielleicht die folgenden Überlegungen.

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Eine sehr gelungene Arbeit mit "Lerntagebüchern" wird in dem Buch Freedom Writers beschrieben, das auch verfilmt wurde (SchülerInnen schauen diesen Film gerne an - LehrerInnen auch; man kann auch ausgewählte Ausschnitte aus dem Buch in der Klasse/Lerngruppe vorlesen - die SchülerInnen hören i.d.R. gebannt zu):


Erin Gruwell (* 15. August 1969 in Kalifornien) ist US-amerikanische Lehrerin und Buchautorin. Ihre Arbeit an der Wilson Classical High School in Long Beach (Kalifornien) und ihre Buchveröffentlichung (The Freedom Writers Diary, 1999) waren die Vorlage für den Film Freedom Writers, mit Hilary Swank in der Rolle als Gruwell.

"Erin Gruwell, eine idealistische dreiundzwanzigjährige Englischlehrerin, tritt ihre erste Stelle an der Wilson High School in Long Beach, Kalifornien, mit einer Klasse von "nichterziehbaren Risiko-Schülern" an. Als die Lehrerin eines Tages während des Unterrichts eine rassistische Karikatur abfängt, die einen Mitschüler zeigt, erklärt sie den Jugendlichen wütend, genau so etwas habe zum Holocaust geführt...und wird verständnislos angestarrt. Sie lässt alle Lehrbücher einsammeln und beginnt stattdessen, mit ihnen Bücher wie "Das Tagebuch der Anne Frank" zu lesen." [Klappentext



Die Lehrerin Erin Gruwell (2006) 
Die "Lerntagebücher", die Erin Gruwell in der beschriebenen Klasse führen ließ, bekommt die Lehrerin eigentlich nie zu sehen: Alle SchülerInnen bekamen von der Lehrerin (Tochter wohlhabender Eltern) eine Kladde geschenkt, und in diese Kladde sollten und konnten sie ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Erfahrungen eintragen. - So wie es auch Anne Frank gemacht hatte mit ihrem Tagebuch und ihren Briefen an die nicht existierende "Liebe Kitty". Die Kladden wurden von niemand korrigiert und im Klassenzimmer in einem Schrank eingeschlossen. - Irgendwann fingen die SchülerInnen dann an, ihre Texte der Lehrerin zu zeigen, sie wollten sie in der Klasse vorlesen. - Das sind die Texte, die das "Freedom Writers Diary" ausmachen: Die Tagebucheinträge der SchülerInnen + Tagebucheinträge der Lehrerin, die selber parallel auch ein Tagebuch ihrer Arbeit mit dieser Klasse geführt hat.

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"... wir haben die Chance, zu lernen und etwas aus uns zu machen. Wir haben viele Gründe, auf Glück zu hoffen, aber wir müssen es uns verdienen. Und das kann man nicht schaffen, indem man immer den Weg des geringsten Widerstands geht. Sich Glück zu verdienen, heißt, Gutes zu tun und zu arbeiten, nicht zu spekulieren und faul zu sein."
Anne Frank, 15 Jahre, Tagebuch, 6. Juli 1944
Zur Theorie, Teil 1
 

Sie brauchen sich nicht zu wundern und zu sorgen, wenn es mit Ihren Lerntagebüchern nicht so richtig gut funktioniert - denn Sie sind damit nicht alleine. Die "normalen" Lerntagebücher sind ja keine "Tagebücher" im eigentlichen Sinne, da ist ein bisschen Etiketten-Schwindel dabei, man will die SchülerInnen quasi "überlisten", in dem man das Heft nun euphemistisch "Tagebuch" nennt. Ein richtiges Tagebuch schließt man weg und zeigt es niemand. - Man sollte Lerntagebücher also nicht Tagebücher nennen. Lieber z.B. "Lern-Buch", so wie sie auch ursprünglich wohl hießen.
Vielfach haben besonders Jungen und lernschwache SchülerInnen eine "gewisse [...] Abneigung gegenüber dem Schreiben [...], daher fallen schriftliche Selbstreflexionen z.B. in Lerntagbüchern oder bei der Portfolioarbeit teilweise "eher dürftig" aus.
 (Quelle , S. 256)
Besser vielleicht:
Das GESPRÄCH im Lerncoaching bietet die Gelegenheit zum Dialog, während in Lerntagebüchern ausschließlich die Perspektive des Lernenden dargestellt wird, Zusätzlich haben viele Lernende bereit bein Niederschreiben ihrer Schilderungen [...] im Kopf, dass eine Lehrkraft oder ihre Eltern einen Blick darauf werfen werden. Dementsprechend werden die Ausführungen oftmals den Erwartungen pozenzieller Leser angepasst (Orientierung an sozialer Erwünschtheit).
(Quelle, 2007, S. 24)
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Zur Theorie, Teil II
 

Die gute Idee, das gute Anliegen, die hinter den "normalen" Lerntagebüchern stecken, sind natürlich, den Lern-Prozess transparenter zu machen und sich nicht nur um das Lern-Ergebnis (das Lern-Produkt, den Lern-Output) zu kümmern. (Vgl. Quelle, 2007, S. 61)

Die Idee stammt wohl ursprünglich schon aus den 1970er Jahren, wo z.B. Klaus Holzkamp solche Lernbücher führte, um sich selber beim Denken auf die Schliche zu kommen.

Klaus Holzkamp * 30. November 1927 in Berlin; † 1. November 1995 war ein deutscher Psychologe am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin. Sein Lebenswerk war die Begründung der Kritischen Psychologie, die er in Zusammenarbeit mit anderen Lehrenden und Studierenden ab dem Ende der 1960er Jahre in West-Berlin entwickelt hatte. [wikipiedia]


Mehr zum Thema Lernbücher und Lernen -
muss man sich aber Zeit und Geduld nehmen -
und es geht um`s Lernen von Erwachsenen

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Siehe auch:

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