Freitag, 22. Februar 2013

Pädagogik, Schulpolitik und Ideologie






T-Hemd Ich bin ein Ideologe

Gerne wird in der pädagogischen Diskussion mit Vorwürfen gearbeitet wie:
"Leider ist Ihre Replik auf den hervorragenden Kommentar von XY rein ideologisch... - Pure Sozialromantik."

Der Vorwurf einer durch Ideologie bestimmten Argumentation findet sich häufig in der politischen Auseinandersetzung - so auch besonders in der schul- politischen.

Mit dem Vorwurf wird unterstellt, dass ein Standpunkt deswegen nicht stichhaltig sei, weil er auf einer politischen Ideologie basiere. Der eigene Standpunkt wird demgegenüber so dargestellt, dass er auf einer nüchternen Analyse der Wahrheit, dem gesunden Menschenverstand, oder auf einer nicht in Frage zu stellende Ethik beruhen würde.

Solche gegenseitigen Vorwürfe können alle DiskutantInnen sich schenken, denn: Dies kann die jeweilige Gegenseite in vielen Fällen mit dem gleichen Recht für sich in Anspruch nehmen. 


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Der Begriff IDEOLOGIE 

("Die Lehre von den Ideen")  wurde 1796 von dem französischen Philosophen Antoine Louis Claude Destutt de Tracy geprägt. Er diente als Bezeichnung für das Projekt einer einheitlichen Wissenschaft der Vorstellungen und Wahrnehmungen.  Die französischen „Ideen-Forscher“, Destutt de Tracy u.a., wollten damit das "Projekt der Aufklärung" voranbringen: 
Durch exakte Analyse der Entstehung von Ideen wollten diese Aufklärer den Obskurantismus überwinden, also Ideen von zweifelhafter Herkunft von wissenschaftlich gesicherten Idee unterscheiden können. 



Zentrales Ziel der Aufklärung war die Befreiung des Bewusstseins der Menschen von Aberglauben, Irrtümern und Vorurteilen, die nach dieser Sichtweise den mittelalterlichen Machthabern zur Legitimation ihrer Herrschaft dienten. Kritisiert wurde insbesondere die katholische Kirche und ihr "Priestertrug". Die Aufklärung verlangte die politische Durchsetzung von Vernunft, Wissenschaft, Demokratie und Menschenrechten.

Ähnliche Gedanken hatten auch die Briten: 
Der Empirismus wurde von Francis Bacon (1561–1626) begründet, der in seiner IDOLENLEHRE die Reinigung des Denkens von Idolen (Trugbildern) als Voraussetzung von Wissenschaft sieht. Quellen und Ursache dieser Trugbilder können Tradition, Sprache, Herkunft und Sozialisation sein. 


Den Machtansprüchen von Napoléon Bonaparte standen die spätaufklärerischen Ideologen im Weg. Das Programm von Destutt de Tracy und Anderen, die Freiheit als höchsten Wert ansahen, erschien dem Diktator als bedrohlich.  

  • Der Begriff wurde nun gezielt abwertend benutzt, und die Ideologen verloren an Einfluss.
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Marxistische Philosophie
Aus dem Klassencharakter der gesellschaftlichen Verhältnisse ergibt sich nach Marx die Tendenz, dass die Gedanken der herrschenden Klasse auch die herrschenden Gedanken in der Gesellschaft sind. Demnach wären auch die herrschenden Gedanken zum Thema Schulsystem die Gedanken der herrschenden Klasse. 



Ideologiekritik
Ideologiekritik geht von einer verblendeten Wahrnehmung der (gesellschaftlichen) Realität aus. Indem Ideologiekritik diese unterstellte Verblendung aufzudecken versucht, möchte sie den Zugang zu den wirklichen Verhältnissen freilegen.


Bei der Analyse der Struktur von Ideologien wird unter anderem untersucht:
  • die innere Widerspruchsfreiheit, das Vorhandensein von Zirkelargumenten und Fehlschlüssen;
  • der Anteil von wahren oder falschen Tatsachenbehauptungen sowie von Werturteilen;
  • das Vorhandensein von Euphemismen und Identifikationsformeln, Suggestivdefinitionen, Feindbildern und Diffamierungsstrategien.

Ideologiekritik im Sinne von Karl Popper umfasst dabei insbesondere die Analyse folgender Punkte: 

  • Dogmatisches Behaupten absoluter Wahrheiten, 
  • Tendenz zur Immunisierung gegen Kritik, 
  • Vorhandensein von Verschwörungstheorien, 
  • utopische Harmonie-Ideale 
  • sowie die Behauptung von Werturteilen als Tatsachen.

Ideologientypologie
Verschleierungs- oder Ablenkungsideologien seien nach Lenk die Erzeugung von Feindbildern, um einer Diskussion über die objektiven Gründe gesellschaftlicher Probleme aus dem Wege zu gehen. Eng angelehnt an diesen Aspekt verwendete er den Begriff Ausdrucksideologie. Und unter einer Ausdrucksideologie verstand er eine Ideologie, die bei den seelisch tieferen Schichten der Menschen ansetze. Es wird ein Freund-Feind-Bild inszeniert und Behauptungen aufgestellt, an die die Massen fanatisch glauben sollen.

Ideologie in der Schul-Politik
Politik ist immer mit Ideologie verbunden, eine unideologische, rein technokratische Politik ist realitätsfremd. Politische Programme basieren auf bestimmten Wertesystemen. 



Quelle: wikipedia
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Fazit:


 
  • Der Vorwurf einer durch Ideologie bestimmten Argumentation findet sich häufig in der politischen Auseinandersetzung - so auch besonders in der schul-politischen.
  • Mit dem Vorwurf wird unterstellt, dass ein Standpunkt deswegen nicht stichhaltig sei, weil er auf einer politischen Ideologie basiere. Der eigene Standpunkt wird demgegenüber so dargestellt, dass er auf einer nüchternen Analyse der Wahrheit, dem gesunden Menschenverstand, oder auf einer nicht in Frage zu stellende Ethik beruhen würde.
  • Solche gegenseitigen Vorwürfe können alle DiskutantInnen sich schenken, denn: Dies kann die jeweilige Gegenseite in vielen Fällen mit dem gleichen Recht für sich in Anspruch nehmen.
  • Im obigen Abschnitt "Ideologie-Kritik" finden sich Kriterien, um so genannte ideologische Aussagen - im Sinne von einer verblendeten und getrübten Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität -  Indem Ideologiekritik diese unterstellte Verblendung aufzudecken versucht, möchte sie mit Hilfe dieser Kriterien den Zugang zu den wirklichen Verhältnissen freilegen.
  •  Politik ist immer mit Ideologie verbunden, eine unideologische, rein technokratische Politik ist realitätsfremd. Politische Programme basieren auf bestimmten Wertesystemen.
  • Deshalb ist es hilfreich, jede Aussage im Bereich der Schulpolitik auf das dahinter stehende Werte-System zu befragen.
  • Widerstreitende Werte-Systeme können z.B. sein: Chancengleichhheit. Elite-Bildung. Herrschafts-Erhalt. Klassen-Gesellschaft. Egalité. Christliches Weltbild. Betonung der Gleichheit. Betonung der Freiheit. Betonung der Tradition. Betonung der gesellschaftlichen Verwertbarkeit von Bildung. Betonung der Persönlichkeits-Bildung und des persönlichen Wachstums. ..
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Dienstag, 19. Februar 2013

Sitzen bleiben


Jede/r kennt wahrscheinlich diese Karikatur:


Oder die Variante:




Es gibt allerdings auch KolumnistInnen, die es irgendwie trotzdem noch nicht verstanden haben.


So schreibt Frau Schmoll in der FAZ:
Es ist übrigens auch gerecht, dass Schulen jedem Schüler, gleich welcher Herkunft, gleich welcher Begabung, das gleiche Angebot machen und ihm die Möglichkeit geben, sich an überindividuellen Standards zu messen. Alles andere wäre Betrug an den Schülern und am Wesen der Schule selbst. Es hieße nämlich, die unterschiedlichen Neigungen und Interessen von Kindern zu leugnen und sie zu nivellieren.

Na prima.


Schule ist seit eh und je in dem Dilemma:
  • Will ich
    die SchülerInnen fördern, so dass jede/r sein eigenes Potenzial entfalten kann, seinen Weg finden kann, im Leben den Platz finden kann, der seinen Begabungen entspricht, auf dass er glücklich werde und der Gesellschaft mit seinen Begabungen Nutzen bringen kann?

Man kann das auch biblisch betrachten (1. Korinther 12):

Wenn alles nur ein einzelner Teil wäre, wo bliebe da der Leib? Aber nun gibt es viele Teile, und alle gehören zu dem einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: »Ich brauche dich nicht!« Und der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: »Ich brauche euch nicht!« Gerade die Teile des Körpers, die schwächer scheinen, sind besonders wichtig.

Die Teile, die als unansehnlich gelten, kleiden wir mit besonderer Sorgfalt und die unanständigen mit besonderem Anstand.
Die edleren Teile haben das nicht nötig. Gott hat unseren Körper zu einem Ganzen zusammengefügt und hat dafür gesorgt, dass die geringeren Teile besonders geehrt werden.
Denn er wollte, dass es keine Uneinigkeit im Körper gibt, sondern jeder Teil sich um den anderen kümmert.
Wenn irgendein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit. Und wenn irgendein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.

  • Oder
    betrachte ich die Schule als Selektions-Einrichtung: Die "Guten" ins Töpfchen (versetzen) - die "Schlechten" in Kröpfchen (sitzen bleiben > Schule verlassen > schau, wo du bleibst! ) ? 
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Frau Schmoll (nach eigenen Angaben Hebraicum 1980, Abitur 1981, Graecum 1982, 1989 Eintritt in die Nachrichtenredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 2002 Verleihung der theologischen Ehrendoktorwürde in Tübingen - wie kann Letzteres sein, siehe oben 1. Kor.12 ?) schreibt:

Das Mantra, das seit neuestem alle Schulprobleme bekämpfen soll, ist die individuelle Förderung. Abgesehen davon, dass kein Lehrer weiß, wie er solche Einzelbeglückung dreißig Schülern unterschiedlichster Leistungsstufen in der knapp bemessenen Unterrichtszeit angedeihen lassen soll, bleibt sie Utopie, solange sie nicht finanzierbar ist.

Ihr Anliegen (kleinere Klassen, bessere Ausstattung der Schulen in allen Ehren!), doch vielleicht sollte sie, statt nur Killerparolen auszugeben, sich doch mal etwas näher mit der aktuellen Pädagogik beschäftigen. Es gibt durchaus Konzepte zur "Einzelbeglückung"... 


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"Es ist ein Halbsatz im Koalitionsvertrag, der eine aufgeregte Schuldebatte ausgelöst hat: Die neue rot-grüne Landesregierung in Hannover wolle, "Sitzenbleiben und Abschulung durch individuelle Förderung überflüssig machen", heißt es dort. Die künftige Schulministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) bemühte sich gleich, den ihr unterstellten Ehrgeiz zu relativieren: "Wir haben ein perspektivisches Ziel formuliert, das nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann."
...

Glaubt man dem Bildungsökonomen Klaus Klemm, sind die Länder damit auf dem richtigen Weg. Das Sitzenbleiben, so Klemms Berechnung von 2009, koste jährlich eine Milliarde Euro - und bringe nichts: Die meisten Untersuchungen zeigten, dass Sitzenbleiber ihren Rückstand kaum aufholen. Das Geld sei besser in individuelle Förderung angelegt.

In der Pisa-Studie 2009 gaben 21 Prozent der 15-Jährigen an, bereits eine Klasse wiederholt zu haben. Jedes Jahr bleiben etwa 2 Prozent aller Schüler sitzen. Der Trend ist jedoch rückläufig: Im Jahr 2000 lag der Anteil noch bei rund 3 Prozent.
Allerdings unterscheiden sich die Werte stark nach Bundesland und Schulform. Bayern lässt jedes Jahr mehr als 3 Prozent der Schüler eine Klasse wiederholen, in Brandenburg sind es nur etwas mehr als 1 Prozent. Den höchsten Sitzenbleiberanteil gibt es mit 4,3 Prozent an den Realschulen - was auch daran liegen dürfte, dass herunterwechselnde Gymnasiasten bisweilen die Klasse auf der neuen Schule wiederholen.
Der Verzicht auf das Sitzenbleiben ist, anders als etwa Spiegel-Online-Kolumnist Jan Fleischhauer meint, kein Geschenk an das Bildungsbürgertum. Unter den Sitzenbleibern sind laut Nationalem Bildungsbericht Migranten und Schüler aus niedrigen Sozialschichten überrepräsentiert.
"

Dass das Sitzenbleiben pro Jahr 1 Milliarde Euro kostet, 
sollte kein Argument gegen das Sitzenbleiben sein. Deutschland gibt sowieso nicht übermäßig viel für Bildung aus. - 

Die Wiederholung einer Klasse kann in Einzelfällen auch durchaus sinnvoll sein (z.B. wenn das Kind längere Zeit krank war, in der Entwicklung zurück geblieben ist, zu früh eingeschult wurde, wegen Belastungen in der Familie nicht genügend Zeit und Energie für die Schule hatte...). - Förderung, Beratung ist der bessere Weg.

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Montag, 18. Februar 2013

Hannah Arendt über Schul-Zensuren und Ehrgeiz


Im Januar 2013 hatte der der deutsche Spielfilm "Hannah Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt" von Margarethe von Trotta Premiere, der zur Zeit in den Kinos zu sehen ist. 



Opitzstr. 6, Berlin-Steglitz. Geboren wurde Hannah in Hannover-Linden.

Im Oktober 1964 ist Hannah Ahrendt von dem deutschen Journalisten Günter Gaus im ZDF interviewt worden, damals war sie 58 Jahre alt, Günter Gaus 35. 

"In seiner Interview-Reihe "Zur Person" schuf Günter Gaus einen neuen Stil des Fernsehinterviews, der ihn bei Zuschauern und Kollegen einzigartig gemacht hat. - Über 40 Jahre hinweg führte Gaus über 200 Interviews mit Personen der Zeitgeschichte. Aus verschiedenen Anlässen werden gelegentlich einzelne Interviews im Fernsehen wiederholt, etwa Klassiker unter den "frühen" Stücken, wie das Gespräch mit Hannah Arendt, das mit Gustaf Gründgens oder mit Rudi Dutschke. - Das "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Bonn hat die Reihe in seinen Dokumentenbestand aufgenommen." 

Hannah Arendt starb 1975 im Alter von 64 Jahren in Manhattan,wo sie auch begraben liegt, Günter Gaus starb 2004 im Alter von 72 Jahren.

In diesem Interview mit Günter Gaus spricht Hannah Arendt auch über ihre Schulzeit. Ihr Vater, Ingenieur, war gestorben als Hannah 6 Jahre alt war.

Arendt: 
Meine Mutter war nicht sehr theoretisch veranlagt. Dass sie da irgendwelche spezielle Vorstellungen gehabt hat, glaube ich nicht. Sie selber kam aus der sozialdemokratischen Bewegung, aus dem Kreis um die Sozialistischen Monatshefte; auch mein Vater, vor allen Dingen aber meine Mutter. Und die Frage hat keine Rolle für sie gespielt, sie war selbstverständlich Jüdin. Sie würde mich nie getauft haben! Ich nehme an, sie würde mich rechts und links geohrfeigt haben, wäre sie je dahinter gekommen, dass ich etwa verleugnet hätte, Jüdin zu sein. Kam nicht auf die Platte sozusagen. Kam gar nicht in Frage!  

Sehen Sie, der Antisemitismus ist allen jüdischen Kindern begegnet. Und er hat die Seelen vieler Kinder vergiftet. Der Unterschied bei uns war, dass meine Mutter immer auf dem Standpunkt stand: Man darf sich nicht ducken! Man muss sich wehren!
 

Wenn etwa von meinen Lehrern antisemitische Bemerkungen gemacht wurden – meistens gar nicht mit Bezug auf mich, sondern in Bezug auf andere jüdische Schülerinnen, zum Beispiel ostjüdische Schülerinnen –, dann wurde ich angewiesen, sofort aufzustehen, die Klasse zu verlassen, nach Hause zu kommen, alles genau zu Protokoll zu geben. Dann schrieb meine Mutter einen ihrer vielen eingeschriebenen Briefe; und die Sache war für mich natürlich völlig erledigt. Ich hatte einen Tag schulfrei, und das war doch ganz schön. Wenn es aber von Kindern kam, habe ich es zu Hause nicht erzählen dürfen. Das galt nicht. Was von Kindern kommt, dagegen wehrt man sich selber. Und so sind diese Sachen für mich nie zum Problem geworden. Es gab Verhaltensmaßregeln, in denen ich sozusagen meine Würde behielt und geschützt war, absolut geschützt, zu Hause.

Gaus: Sie haben in Marburg, Heidelberg und Freiburg studiert bei den Professoren Heidegger, Bultmann und Jaspers, im Hauptfach Philosophie und daneben Theologie und Griechisch. Wie ist es zu dieser Studienwahl gekommen?

Arendt

Ja, wissen Sie, das habe ich mir auch oft überlegt. Ich kann dazu nur sagen: Philosophie stand fest. Seit dem 14. Lebensjahr.
Gaus: Warum?

Arendt

Ja, ich habe Kant gelesen. Da können Sie fragen: Warum haben Sie Kant gelesen? Irgendwie war es für mich die Frage: Entweder kann ich Philosophie studieren oder ich gehe ins Wasser sozusagen. Aber nicht etwa, weil ich das Leben nicht liebte! Nein! Ich sagte vorhin – dieses Verstehenmüssen.
Das Bedürfnis, zu verstehen, das war sehr früh schon da. Sehen Sie, die Bücher gab es alle zu Hause, die zog man aus der Bibliothek.
Gaus: Ihre intellektuelle Begabung, Frau Arendt, so früh erprobt – sind Sie von ihr gelegentlich als Schülerin und junge Studentin auf eine vielleicht schmerzliche Weise vom Normalverhalten Ihrer Umgebung getrennt worden?

Arendt

Das hätte so sein müssen, wenn ich es gewusst hätte. Ich war der Meinung, so sind alle.
Gaus: Wann ist Ihnen dieser Irrtum bewusst geworden?

Arendt

Ziemlich spät. Ich will es nicht sagen. Ich schäme mich. Ich war unbeschreiblich naiv. Das lag zum Teil an der häuslichen Erziehung. Es wurde nie darüber gesprochen. Es wurde nie über Zensuren gesprochen. Das galt als minderwertig. Jeder Ehrgeiz galt als minderwertig, zu Hause.
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Warum wurde wohl zu Hause nicht über Zensuren gesprochen? Warum galt das als minderwertig ebenso wie Ehrgeiz in der Schule? - Im Interview wird das nicht klar, auch nicht, wenn man das ganze Interview liest. - Vielleicht ging sie an anderer Stelle darauf ein?




Samstag, 9. Februar 2013

Von 100 Akademiker-Kindern landen 83 auf der Uni - von 100 Arbeiter-Kindern nur 11


Von der angeblichen Klassenlosigkeit der Gesellschaft 

und der "meritokratischen Illusion“

Letztere geht davon aus, dass die hohe soziale Selektivität unseres Bildungs-Systems an der Auslese nach Leistung liege: Wer etwas leiste, kommt nach oben (an die Uni, an die gut-bezahlten Arbeitsplätze),
wer tüchtig und leistungsfähig sei, setze sich durch.

Diese Erklärung beruhigt das soziale Gewissen. PISA hat das Illusionäre an der meritokratischen Erklärung erneut mit eindrucksvollen Zahlen belegt.
 
 "Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat in den 1970er-Jahren den treffenden Begriff des Bildungskapitals (capital scolaire) geprägt. Dieser hat sich mit Recht schnell verbreitet, denn er weist darauf hin, dass Bildung ( – oder genauer: die Abschlusszertifikate von Schulen und Hochschulen – ) in modernen Gesellschaften eine zentrale Ressource für die individuellen Lebenschancen sind.
Gute Bildungsabschlüsse sind nicht die alleinige, aber eine wichtige Voraussetzung dafür, um gesellschaftliche Chancen wahrzunehmenund soziale Risiken zu minimieren." -
(Rainer Geißler, Professor für Soziologie an der Uni Gießen, im Jahr 2006)


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Das individuelle Bildungskapital 


lässt sich in der Regel über gesellschaftliche Führungspositionen auch in entsprechend gute Einkommen und einen hohen Lebensstandard umsetzen:
  • Besser Qualifizierte leben tendenziell gesünder als niedrig Qualifizierte.
  • Im Jahr 2004 war die Gefahr, unter die Sozialhilfegrenze zu rutschen, für Personen ohne Hauptschulabschluss um das 13fache höher als für Hochschulabsolventen.
  • Das Risiko der Ungelernten, arbeitslos zu werden, lag in den letzten 25 Jahren stets um mindestens das 3- bis 6-fache über dem der Studierten.
  • Der Einstieg oder Aufstieg in höhere berufliche Positionen ist immer häufiger an einen Hochschulabschluss gebunden. - Diese „Akademisierung“ vollzieht sich in ähnlicher Form auch in anderen Berufsfeldern, in den höheren Ebenen des politischen Bereichs – z.B. in den Parlamenten, den Parteien und selbst in den Gewerkschaftsführungen – sowie beim Aufstieg in die Eliten. 
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 Die Illusion der Chancengleichheit

Seit den 70er-Jahren breitete sich in der Politik, aber leider auch in großen Teilen der Wissenschaft, die Illusion der Chancengleichheit aus.
Schicht-spezifisch ungleiche Bildungschancen waren als Thema über etwa ein Vierteljahrhundert aus dem bildungs- und gesellschafts-politischen Diskurs verschwunden, so Prof. Geißler. 


"Die Schule ist nicht in der Lage, die leistungsunabhängigen Filtereffekte der Familie zu kompensieren. Im Gegenteil: Die Verstöße gegen das meritokratische Prinzip werden in deutschen Schulen nochmals erheblich verstärkt."

Es ist wiederholt belegt worden, dass Bewertungen durch Lehrer/innen – die Notengebung und die Empfehlungen am Ende der Grundschulzeit für den weiteren Bildungsweg – auch von leistungsfremden
sozialen Kriterien beeinflusst sind, die zu Lasten der Kinder aus sozial schwachen Familien gehen.


Warum sollte man sich über schicht-typische Chancen den Kopf zerbrechen, wenn die meisten der deutschen Sozialstrukturanalytiker lautstark und wirkungsvoll die Auflösung der Schichten und Klassen verkündeten? Die „neue Theorie der Klassenlosigkeit“ dominierte
seit Mitte der 80er-Jahre die deutsche Sozialstrukturforschung und hatte auch große Ausstrahlungskraft auf die Nachbarwissenschaften, u.a. auf die Erziehungswissenschaften. Es bedurfte der Wucht
der international vergleichenden PISA-Studien, um die deutschen Politiker und Wissenschaftler aus ihrem 25-jährigen Dornröschenschlaf wachzurütteln.

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Die Bildungsreformen der 70er-Jahre waren dem damalsproklamierten Ziel der Chancengleichheit kaum näher gekommen:


Vom Ausbau der Realschulen 

profitierten zwischen 1970 und 1989 insbesondere die Kinder von Arbeitern (einschließlich Arbeiterelite), von Landwirten und von ausführenden Dienstleistern.
  • Auf der Ebene des mittleren Bildungsniveaus sind also die Chancen zu Gunsten der benachteiligten Schichten umverteilt worden.
  • Anders sieht es hingegen an den Gymnasien aus.  
Die Hauptgewinner der gymnasialen Expansion 
sind die Kinder, insbesondere die Töchter, des nicht-landwirtschaftlichen Mittelstands sowie der höheren Dienstleistungsschicht, (die bereits 1950 die besten Bildungschancen hatten).
  • Recht gut mithalten konnten auch die Kinder der mittleren Angestellten und Beamten. 
  • Die Kinder von einfachen Dienstleistern und der Arbeiterelite (Meister, Vorarbeiter) dagegen und insbesondere die Arbeiterkinder haben trotz gestiegener Chancen gegenüber allen anderen Gruppen an Boden verloren. 
  • Zudem stagnierte der Chancenzuwachs der Arbeiterkinder in den 1980er-Jahren. 
  • Beim Wettlauf um die höheren Bildungsabschlüsse haben sich also die Chancenabstände zwischen privilegierten und benachteiligten Gruppen vergrößert.
Die Chancen der Kinder von Un- und Angelernten, eine Realschule oder ein Gymnasium zu besuchen, stagnieren in den 90er-Jahren.

Noch krasser wirkt der soziale Filter beim zunehmenden Run auf die Universitäten.

Den Ausbau der Hochschulen nutzten ebenfalls insbesondere junge Menschen aus Gruppen, deren Studienchancen bereits 1969 vergleichsweise gut waren – Söhne und in noch stärkerem Maße Töchter von Selbstständigen (Zuwachs unter den Studienanfängern bis 2000 um 30 Prozentpunkte), von Beamten (26 Prozentpunkte) und von Angestellten (11 Prozentpunkte). 

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Ursachen der ungleichen Bildungschancen

Woran liegt es, dass es Kinder aus sozial schwachen Familien im deutschen Bildungssystem nach wie vor so schwer haben? Leider ist das komplexe Ursachengeflecht der schichttypisch ungleichen Bildungschancen bisher nur bruchstückhaft empirisch theoretisch ausgeleuchtet.

Eine umfassende, in sich schlüssige Theorie,die die wichtigen Faktoren sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen quantitativ gewichtet, fehlt nach wie vor.

Es gibt aber anschauliche Beispiele aus dem Alltag, von denen sicher Jede/r aus eigener Anschauung in Verwandtschaft, Nachbarschaft und Bekanntschaft welche erzählen kann.

Ein Beispiel, die Promotionen betreffend, beschreibt Frau Kappert in der taz:

"Bislang lief das mit der Dissertation ja ungefähr so: Promovend schlägt ProfessorIn seiner Wahl ein privat gefundenes Thema vor und hofft, dass dieseR es annimmt. Oder ProfessorIn schlägt Promovendin ein Thema vor, weil er oder sie eine AssistentIn braucht, die Stelle als Promotionsstelle ausgeschrieben ist und es Grund zur Annahme gibt, dass der Auszubildende gut darin ist, Symposien und Sammelbände zu organisieren. Oder der Vater des angehenden Doktors ist ein befreundeter Prof. Das funktioniert so gut wie immer."
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Siehe auch: 

Freitag, 8. Februar 2013

Mathetik oder: Das Neue ist nicht immer neu...

Das Neue ist nicht immer neu...
manchmal eher die Wiederentdeckung von Altem bzw. Altbewährtem,
gelegentlich „alter Wein in neuen Schläuchen“,
vielleicht auch nur der „aktuell gültige Irrtum“.
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Zum Beispiel: Mathetik
Die Mathetik ist die Wissenschaft vom Lernen.

Mehr: siehe  wikipedia:

In ihrer Konzeption geht die Mathetik auf den aus dem östlichen Mähren stammenden Johann Amos Comenius, (1592–1670) zurück, der in seiner Didactica magna die Didaktik als „Lehrkunst“
und die Mathetik als „Lernkunst“ bezeichnete.
  • Damit orientiert sich die Mathetik empfängerbezogen am Lernenden, 
  • während die Didaktik senderbezogen vom Lehrenden ausgeht.
In ihrer Grundbedeutung schließt Mathetik heute jede Art des Lernens ein, also die Erforschung des Lernens sowohl mit als auch ohne Lehrer.

Bestätigung finden die in der kritischen Pädagogik – bzw. Kritik der Pädagogik – gewonnenen Erkenntnisse der Mathetik auch durch die modernen Neurowissenschaften, deren Forschungsergebnisse mit traditionellen Praktiken der Wissensvermittlung in Schule und Beruf teilweise nicht im Einklang stehen. [Ohne Verweis auf Gehirnforschung geht heute wirklich absolut gar nichts mehr in der Pädagogik.]
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Der Begriff der Mathetik war nahezu in Vergessenheit geraten, bis Hartmut von Hentig ihn 1983 in einem Gutachten für die Freie Schule Frankfurt wieder aus der Versenkung geholt hat:
„Mathetik ist eine notwendige Korrektur des gedankenlos verabsolutierten Prinzips der Didaktik: dass Lernen auf Belehrung geschähe.“
Mathetik betrachtet schulisches Lernen aus dem Blickwinkel des Schülers und charakterisiert das Verhältnis zwischen Lehrperson und Lernenden als ‚symmetrisch‘ und ‚herrschaftsfrei‘. Das bedeutet, Schüler und Lehrperson stehen auf einer Ebene. Die Lehrperson ist nicht ‚Herr‘ des Lernenden, sondern Lernberater und helfender Erzieher.
 

  • Mathetik [wird] verstanden als Gegenpol zur (lehrerorientierten) Didaktik [...]
  • Sie relativiert die in der ‚Lernziel-orientierten Didaktik‘ betonte, dezidierte Evaluation dahingehend, dass eine punktgenaue ‚Lernzielkontrolle‘ häufig nicht möglich und sinnvoll ist. 
  • Mathetik impliziert das ‚konstruktivistische‘ Verständnis von Lernen, das dieses als aktiven, selbst-organisierenden (autopoietischen) Prozess versteht, bei dem die je eigenen ‚Wirklichkeiten‘ des Individuums von diesem ‚konstruiert‘ werden (Konstruktivismus). 
 Zusammengefasst sprechen die Überlegungen zu einer Mathetik beispielsweise gegen eine technisierte Unterrichtsvorbereitung und gegen ein lehrerzentriertes ‚Durchziehen‘ des Unterrichts am Schüler vorbei.

[...] In der Konsequenz heißt das, Lehren vor allem als strukturiertes, umfassendes Angebot an den Lernenden zu sehen, das nicht nur auf der Inhalts-, sondern auch auf der Beziehungsebene abläuft.

Kritiker des Begriffs Mathetik verweisen darauf, dass hier eine Gegenposition zu einem sehr eingeengten Verständnis von Didaktik künstlich aufgebaut wird. Die unter dem Schlagwort vorgebrachten Überlegungen sind demnach schon immer zentraler Bestandteil von Theorien und Modellen der Didaktik und beinhalten demnach auch keine neue und spezifische Forschungsrichtung der aktuellen Bildungs- bzw. Lehr-Lernforschung. [wikipedia] 
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Siehe auch:

Samstag, 2. Februar 2013

Wie in Saulgau so in Schopfheim ?


Am 5. Januar 2013 war im Südkurier zu lesen:


Schopfheim: 526 gegen Gemeinschaftsschule

"Elterninitiative übergibt Unterschriftenliste. ...Eine Liste mit 526 Unterschriften von Einwohnern des Gemeindeverwaltungsverbandes Schönau „gegen die Einführung der Gemeinschaftsschule Schönau-Todtnau... übergab die Elterninitiative ... im Dienstzimmer....

Zum Unterschreiben wurde folgender Satz vorgelegt: „Ich wurde nicht befragt und wünsche keine Einführung der Gemeinschaftsschule mit verpflichtender Nachmittagsbetreuung.“ ... Am liebsten wäre den Müttern, wenn der Antrag in Stuttgart abgelehnt würde oder wenn ihn die Gemeinderäte zurückziehen, um dann in Ruhe nächstes Jahr „eine ganz tolle Schule mit allen gemeinsam zu entwickeln“....
Dem Begleitschreiben zur Unterschriftensammlung ist eine Information über den Schweizer Privatschulbetreiber Peter Fratton beigefügt, der bei einer Anhörung der Grünen-Landtagsfraktion schon 1988 zum Thema „Schule der Zukunft“ als „pädagogische Urbitten“ genannt habe: „Bringe mir nichts bei, erkläre mir nicht, erziehe mich nicht, motiviere mich nicht.“ ...


Das war wohl so zu verstehen, dass die Eltern-Initiative von diesen Ur-Bitten nicht sehr begeistert war. Ob zu Recht oder Unrecht lasse ich an dieser Stelle mal offen.


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Gut im Geschäft

Familie Fratton ist auf jeden Fall nicht nur in der Schweiz, sondern auch bei uns im Ländle gut im pädagogischen und architektonischen Geschäft:

"Die Alemannenschule Wutöschingen, die jetzt Gemeinschaftsschule geworden ist, ist dabei, neue Raumkonzepte zu entwickeln, um das individuelle Lernen für die Schüler zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang kam das Schweizer Schulgründerehepaar Doris und Peter Fratton nach Wutöschingen, um sich vor Ort ein Bild von den räumlichen Verhältnissen zu machen und den Grundstein für eine mögliche Zusammenarbeit zu legen. Doris Fratton, Innenarchitektin von internationalem Ruf, die für vorbildliche Raumkonzepte bekannt ist, hat auch an der Gestaltung der Freien Schule Anne-Sophie in Künzelsau federführend mitgewirkt."

In Horn am Bodensee steht ein Schlösschen zu verkaufen:

2012 wurde das Schloss zum Verkauf ausgeschrieben – als «Liebhaberobjekt am Bodensee» zum Verkaufspreis von 5,875 Millionen Franken. Die Amriswiler Immobilienfirma Thoma pries es auf Internet-Plattformen ihrer Branche als «eines der schönsten Châteaux der Ostschweiz» an, und erst noch am Seeufer im «steuergünstigen Horn». Zuletzt kannte die Öffentlichkeit das dreistöckige Schlösschen als Schulgebäude der Privatschule «Primaria» von Schulunternehmer Peter Fratton; seine Frau Doris hatte dort auch ihr Büro als Innenarchitektin und war federführend bei der Renovation vieler Räume. (Quelle


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Teures Glück

Die Thurgauer Zeitung berichtete am 22.9.2012 online, dass im SBW Euregio Gymnasiums in Romanshorn 7 SchülerInnen, (6 Jungen und 1 Mädchen), das Bestehen der Maturaprüfung feierten. Die restlichen 40% der Klasse, alles Jungen, waren durchs Abitur gefallen. - Das SBW Euregio-Gymnasiums ­Romanshorn ist von Peter Fratton gegründet worden. -

Der derzeitige Schulleiter sagte zur Erklärung: Die Matura sei auch ein Reifeprozess, und die männlichen Abiturienten hätten sich im Schutz der Bubengruppe damit teilweise etwas länger Zeit gelassen. So sei es gekommen, dass nicht die ganze Klasse die Prüfungen bestanden habe. Vier werden sie wiederholen, einer tritt nicht nochmals an. Der Schulleiter betonte, die Jugendlichen hätten enge Freundschaft gepflegt, gemeinsam das Leben genossen. Dies sei eine Form von Glück, die nicht unterschätzt werden dürfe, auch wenn dabei manchmal der Blick auf die Realitäten etwas zu kurz komme.

Wohl wahr: 

Es kann ein Ziel von Schule sein, sich die SchülerInnen sich im Reifeprozess Zeit lassen können, enge Freundschaften pflegen und gemeinsam das Leben genießen. - Die Eltern-Initiative aus Schopfheim (siehe oben) scheint jedoch andere Ziele für ihre Kinder zu haben.


Der "BEOBACHTER" aus der Schweiz berichtete im Jahr 2007:

Am Ende ein Fiasko

Bei der letztjährigen KV-Abschlussprüfung fiel die Hälfte der Absolventen der Privatschule Academia Euregio Bodensee in Romanshorn TG durch. Kein Wunder: Bund und Kantone lassen private Anbieter an der langen Leine.

Die 24 Absolventen des Touristik-Colleges der Academia Euregio Bodensee (AEB) in Romanshorn erlebten an der letztjährigen Thurgauer KV-Lehrabschlussprüfung ein Fiasko: Die Hälfte fiel durch. … Es war eine miserable Quote - im Kantonsdurchschnitt erhielten 95 Prozent der Prüflinge ihr Diplom als Kauffrau/Kaufmann.
Die verzweigte Privatschulgruppe, aufgebaut vom Ex-Reallehrer Peter Fratton, hatte bisher einen guten Ruf genossen. Allerdings gab es auch Warnsignale. … Warum nehmen die Eltern die AEB nicht in die Verantwortung? Die Ausbildung ist mit Kosten von 3'900 bis 4'100 Franken pro Quartal nicht billig. Hauptgrund fürs Stillhalten dürfte sein, was der Co-Leiter so mitteilte: «Wir haben allen Eltern, die dies wünschten, einen Ärgerbonus rückerstattet.
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Natürlich werden solche Meldungen von Gegnern der neuen Gemeinschaftsschulen gerne zitiert. Zum Beispiel vom Bündnis pro Bildung Baden-Württemberg, auf deren Web-Seite man Argumente gegen die Gemeinschaftsschule sammeln kann.

Staatliche deutsche Gesamt-Schulen können jedoch manchmal offensichtlich mehr leisten als teure Schweizer Privatschulen:


Ein Beispiel:

Statistisch gesehen hatten in den Schuljahren 2002/03 bis 2007/08 über die Hälfte AbiturientInnen an der Gesamtschule Mannheim keine Grundschul-Empfehlung für das Gymnasium als sie in Klasse 5 in diese Gesamtschule kamen: 
  • 12 Prozent der AbiturientInnen (des in BW zentralen Abiturs) hatten nach Klasse 4 eine Empfehlung für die Hauptschule und
  • 43 Prozent der AbiturientInnen nach Klasse 4 eine Empfehlung für die Realschule.
  • Und bei den Schüler/innen, die am Ende den Realschul-Abschluss machten, hatten 53 Prozent eine Hauptschul-Empfehlung.
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 Schon in Klasse 8

zeigt sich die positive Wirkung des gemeinsamen Lernens in den drei Eingangsjahren Klasse 5-7:

  • Jede/r zweite Schüler/in in den Gymnasialklassen der Stufe 8 hatte keine Gymnasialempfehlung.
  • Ähnlich in den Realschulklassen: Etwa 45 Prozent der Schüler/innen hatte eine Grundschul-Empfehlung für die Hauptschule.
Dass der Weg der Schüler/innen in der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried insgesamt deutlich nach oben weist, zeigt auch die Statistik der Auf- und Absteiger:

  • 37 % der Schüler/innen verbessern sich gegenüber der Grundschul-Empfehlung,
  • nur 8 % verschlechtern sich,
  • etwa 50 % machen Abschlüsse der Grundschul-Empfehlung entsprechend.

In der 3-gliedrigen Regelschule in BW steigen für jeden Schüler/innen, der aufsteigt, fast vier ab. Die viel gepriesene Durchlässigkeit funktioniert dort also nur nach unten gut. ... 



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