Sonntag, 10. August 2025

Wann beginnt das Leben? --- 3 Geistliche diskutieren. --- Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin

Drei Geistliche dirkutieren über die Frage: 
"Wann beginnt das Leben?"
  • Der katholische Priester: Mit der Zeugung des Kindes. 
  • Der evangelische/protestantische Pfarrer: Mit der Geburt des Kindes.
  • Der jüdische Rabbi: Wenn die Kinder aus dem Haus sind - und der Hund tot. * 

 Meinung:

Der Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin geht auf das Konto einer rechten Hetzkampagne – und der Nährboden für diese Stimmungsmache lag nirgends sonst als in der Unionsfraktion. Mutwillig verbreiteten CDU- und CSU-Abgeordnete die haltlosen Diffamierungen Brosius-Gersdorfs und verhalfen so den selbsterkorenen „Lebensschützern“, den kirchlichen Fundamentalisten und illiberalen Kräften zu einem Erfolg im Parlament. Es ist die Stunde der Antifeministen, und sie haben Blut geleckt.

Aus mehreren Gründen ist der Rückzug von Brosius-Gersdorf ein Einschnitt. Erstmals ist eine Kandidatin nach ihrer Ernennung im Richterwahlausschuss in Zweidrittelmehrheit im Nachhinein öffentlich so demontiert worden. Die Potsdamer Rechtsprofessorin hat sich entschieden, ihren Kopf nicht mehr für die unerbittliche Kampagne der organisierten Abtreibungsgegner hinzuhalten. Das ist so bitter wie nachvollziehbar.  Quelle 

So erklärt Frau Brosius-Gersdorf 
ihren Verzicht auf die Kandidatur fürs Verfassungsrichteramt [Auszug] 
Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion – öffentlich und nicht-öffentlich – in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist. Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab. [...] Auch muss verhindert werden, dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind. [...] Nach dem TV-Gespräch mit Markus Lanz hat sich die Berichterstattung in den Medien deutlich versachlicht und wurde sie ganz überwiegend inhaltlich geführt. Der CDU/CSU-Fraktion ist es dagegen nicht gelungen, sich mit meinen Themen und Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen. Eine Einladung in eine Fraktionssitzung hat sie bis zuletzt nicht ausgesprochen. 
  • Stattdessen wurde mir vorgehalten, dass ich im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch folgenden Satz geschrieben habe: „Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“ [...] 

 Nochmals zum Dilemma: 

  • Da die Menschenwürdegarantie nach herrschender Meinung nicht abwägungsfähig ist, wären bei Geltung der Menschenwürdegarantie für den Embryo ab Nidation [= Einnistung des Embryos in die Gebärmutter-Schleimhaut; diese beginnt beim Menschen am fünften oder sechsten Tag nach der Befruchtung der Eizelle]  Konflikte mit den Grundrechten der Schwangeren nicht lösbar.
  • Ein  Schwangerschaftsabbruch wäre dann unter keinen Umständen rechtmäßig, auch nicht bei Gefährdung des Lebens der Frau. Es ist aber bestehende Rechtslage, dass ein Abbruch bei medizinischer (§ 218a Abs. 2 StGB) und kriminologischer (§ 218a Abs. 3 StGB) Indikation legal ist. Die verfassungsrechtliche Lösung kann denklogisch nur sein, dass entweder die Menschenwürde abwägungsfähig ist oder für das ungeborene Leben nicht gilt. [...] 
Kampagnen-Charakter
Die ablehnende Haltung von Teilen der CDU/CSU-Fraktion wegen meiner Position zum Schwangerschaftsabbruch steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag. Es ist paradox, jemanden wegen einer Position abzulehnen, die man selbst vertritt. [...] 
Erstaunlich ist, dass im Politik-Teil (nicht: im Feuilleton) eines Qualitäts- und Leitmediums [gemeint ist die FAZ] einzelne Journalisten (nicht: Journalistinnen) zunächst „Speerspitze“ eines ehrabschneidenden Journalismus waren.
 
So wurde im Blatt das Narrativ einer „ultralinken“ „Aktivistin“ geprägt, obwohl die Verantwortlichen wissen mussten, dass hiermit ein wirklichkeitsfremdes Zerrbild gezeichnet wird. 
Der Kampagnencharakter manifestierte sich auch in Artikeln über meine Position zum Schwangerschaftsabbruch. Obwohl die Verantwortlichen – teilweise Juristen – wissen müssen, dass es in der Rechtswissenschaft nicht nur um Ergebnisse, sondern vor allem auch um die Argumentation und Begründung geht, haben sie – zumal teils unvollständig bzw. falsch – lediglich Ergebnisse dargelegt („Menschenwürde erst ab Geburt“), nicht hingegen die dafür genannte rechtsdogmatische Begründung und das rechtswissenschaftliche Dilemma. [...] 
Quelle und ganzer Text 
 


  1. 2024:   Quelle 
  2. 2025  
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  Der  Witz ist nicht schlecht. 
Doch für manche Menschen beginnt das Leben ja erst mit Hund und mit Kindern im Haus. 
 

Sonntag, 27. Juli 2025

Wenn der Russe kommt. Pazifismus?


 Heute las ich in der Zeitung: 

"Was sorgt für Frieden? Pazifismus im Kreuzfeuer"

"Abrüstungsbefürworter sind innerlich zerrissen. Einige zweifeln, ob ihre Ideen noch zeitgemäß sind, andere protestieren gegen die Wehrpflicht." [...]

Dazu ein Foto [Screenshot]:

 "Rund 50 Jugendliche von der „Jugendkommune Berlin“ protestieren 2024 in Kreuzberg gegen die Wiedereinführung des Wehrdienstes"

Weiter heißt es im Text: [Quelle

"Es ist eine innere Zerrissenheit, die viele Menschen umtreibt, die über Jahrzehnte für Abrüstung und Antimilitarismus eingetreten sind und sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine fragen, ob ihre pazifistischen Ideale noch zeitgemäß sind. Doch es melden sich auch verstärkt Menschen zu Wort, die in Zeiten, in denen massive Aufrüstung und gar die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert wird, zivile Alternativen einfordern."

 Dabei fiel mir meine Begegnung mit George Mizo (vor vielen Jahren) ein. Mit 17 Jahren trat George Mizo begeistert in die US- Armee ein, um in Vietnam zu kämpfen. 

Warum?  

«Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, frag was du für dein Land tun kannst.» –

Der Satz blieb damals bei George Mizo  hängen, wirkte geradezu magisch auf den jungen George Mizo. 
John F. Kennedy spricht die legendären Worte 1961 bei seiner Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
George und Millionen andere US-Bürger glauben den damit verbundenen Botschaften des Weissen Hauses. Etwa dass man den Menschen im westlich geprägten Südvietnam beistehen müsse gegen kommunistische Angriffe aus dem Norden. 
Später erinnert sich George Mizo daran, wie führende Politiker suggerierten: Wenn die USA nicht einschreiten, werden die Kommunisten übermorgen vor der Haustür stehen

.George Mizo, beeinflusst vom charismatischen J.F. Kennedy, tritt  freiwillig in die US-Armee ein. Es braucht dazu die Unterschrift der Eltern, weil er erst 17 ist.

«Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, meinem Land in Kriegszeiten nicht zu dienen», erzählt George Mizo später in einem Interview. «Ich wollte mitten ins Kriegsgebiet. Ich wollte unbedingt kämpfen.» 

Mizo wird Sergeant, befehligt in der schweren mobilen Artillerie an vorderster Kriegsfront eine Gruppe von Kämpfern und wird nach einem Jahr zum dritten Mal verletzt. Diesmal so schwer, dass seine Rückführung in die USA nötig wird.  --- 

Er erhielt im Einsatz die Auszeichnungen Purple Heart und Silver Star

  [Wikipedia] 

Während er zur Genesung in einem Militärkrankenhaus in Seattle war, erfuhr er, dass alle Kameraden seines Zuges in der Tet-Offensive gefallen waren. Als er das erfuhr, brach er mit der Armee. Er entschied sich, nicht in den Krieg zurückzukehren, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und verbüßte zweieinhalb Jahre im Gefängnis, bevor er schließlich unehrenhaft entlassen wurde.Ein Schock, der sein Leben verändert.

George Mizo wird zum Friedensaktivisten, der auf den Treppen des Kapitols in Washington gegen den Vietnamkrieg protestiert. Er reist auch nach Deutschland. Dort lernt er auf einem Friedensmarsch seine spätere Frau Rosemarie Höhn kennen, die sich gegen die Stationierung amerikanischer Atomwaffen in Süddeutschland engagiert. 

Quelle wikipedia u,a, 

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 Das hören wir  auch heute:

Millionen Menschen in Deutschland und anderswo glauben den Botschaften einiger PolitikerInnen, dass man den Menschen im westlich geprägten XYZ beistehen müsse gegen kommunistische Angriffe. --- 
Später erinnert sich George Mizo daran, wie führende Politiker suggerierten: Wenn die USA nicht einschreiten, werden die Kommunisten übermorgen vor der Haustür stehen. 
«
Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, meinem Land in Kriegszeiten nicht zu dienen», erzählt George Mizo später in einem Interview. «Ich wollte mitten ins Kriegsgebiet. Ich wollte unbedingt kämpfen.» 

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 Weiter im anfangs zitierten Text: 

"Was sorgt für Frieden? Pazifismus im Kreuzfeuer"

 Die älteste Friedensorganisation Deutschlands stellte ihren Bundeskongress im Juni 2025 in Kassel unter das Motto „Verweigert“. „Auf unserem Kriegsdienstverweigerungs-Kongress haben wir den neuen Wehrdienst als Teil der Gesamtaufrüstung eingeordnet und diskutiert, wie wir dem politisch aber auch direkt in Form von Verweigerungsarbeit begegnen“, sagt der politische Geschäftsführer der DFG-VK, Michael Schulze von Glaßer. Er betont, dass die Rechte der Ver­wei­ge­r*in­nen global unterstützt werden müssten. 

 

„Wir setzen uns dafür ein, dass niemand die Waffe gegen einen anderen Menschen erhebt – ganz nach dem Motto ‚Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin‘. Die DFG-VK unterstützt bereits jetzt Menschen in Deutschland, die den Kriegsdienst verweigern, setzen sich aber auch für Ver­wei­ge­r*in­nen und De­ser­teu­r*in­nen aus Russland, der Ukraine und vielen anderen Ländern ein“ , beschreibt von Glaßer die Aktivitäten seiner Organisation. [...] Er verweist darauf, dass mit der Interventionistischen Linken eine der größeren Bündnisorganisationen in der außerparlamentarischen Linken den Antimilitarismus zu ihrem neuen Hauptthema gemacht habe. „Zudem gründen sich gerade viele kleine, lokale Gruppen gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht – vor allem junge Menschen sind dort organisiert“, so Schulze von Glaßer. [...] Das Argument, dass man mit der Aufrüstung das Putin-Regime von weiteren Angriffen abhalten wolle, überzeugt den Antimilitaristen nicht. „Wir befinden uns in einer Rüstungsspirale, die uns im besten Fall in die Armut treibt, im schlechtesten Fall in einen Weltkrieg“, so seine Befürchtung.

 

Gewaltfreier Widerstand in der Ukraine

Schulze von Glaßer verweist darauf, dass selbst zur Hochzeit des Kalten Krieges internationale Abrüstungsverhandlungen geführt wurden und in den 1980er Jahren der INF-Vertrag beschlossen wurde, der atomare Kurz- und Mittelstreckenwaffen aus Europa verbannte.

 Es melden sich auch verstärkt Menschen zu Wort, die in Zeiten, in denen massive Aufrüstung und gar die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert wird, zivile Alternativen einfordern. Dazu gehört Wolfram Beyer von der Internationale der Kriegs­dienst­geg­ne­r*in­nen (IDK).

 



Auch Lou Marin betont, dass die Rolle des zivilen Widerstands gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine weitgehend unterschätzt werde. 

„Der große Panzerkonvoi nach Kyjiw zu Beginn des russischen Einmarsches kam auch aufgrund von Sabotageaktionen russischer Soldaten in den Panzern und Transportern und wegen des unbewaffneten Widerstands der ukrainischen Bevölkerung zum Stehen“, betont Marin. Erst nach dem Scheitern des Marsches auf Kyjiw sei der russische Angriff auf die Ostukraine erfolgt.

Marin gibt im Verlag Graswurzelrevolution Schriften zur Theorie und Geschichte der zivilen gewaltfreien Verteidigung heraus. Im letzten Jahr hat er unter dem Titel „Menschen retten“ zusammen mit Barbara Pfeiffer ein Buch veröffentlicht, in dem Beispiele von zivilem Widerstand während des Nationalsozialismus dokumentiert sind. 
[
Die Zeitung Graswurzelrevolution fördert und verbreitet seit 1972, Theorie und Praxis der gewaltfreien Revolution.] 

Lou Marin/Barbara Pfeifer (Hg.): „Menschen retten! Wie ziviler Widerstand jüdische NS-Verfolgte vor der Deportation bewahrte“ Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2024, 87 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-3-939045-53-3  

Damit wurde in Bulgarien, Dänemark und Frankreich die Deportation jüdischer Menschen in die NS-Vernichtungslager verhindert. Marin sieht die Propagierung und die Umsetzung von Konzepten des zivilen Widerstands als Alternative zu immer mehr Waffenlieferungen in die Ukraine. Er ist überzeugt, dass damit auf beiden Seiten Menschenleben gerettet würden.

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 Siehe auch:

https://bildungsblog72.blogspot.com/2023/07/putins-rache.html

https://bildungsblog72.blogspot.com/search?updated-max=2022-10-28T09:56:00%2B02:00&max-results=7

 https://udopia-04.blogspot.com/2022/04/manch-deutscher-mann-mochte-heute.html

 https://bildungsblog72.blogspot.com/2022/04/wie-irre-ist-putin.html

 

 

 

Samstag, 4. Mai 2024

LGBTTIQ und IDAHOBITA 2024 in Baden-Württemberg. - Der revolutionäre 1. Mai 2024 in Berlin (und Stuttgart)

Fremdwörter: LGBTTIQ und IDAHOBITA

Wofür stehen die Buchstaben ?

L – steht für lesbisch.
S – steht für schwul.
B – steht für bisexuell.
T – steht für transsexuell.
T – steht für transgender.
I – steht für intergeschlechtlich.
Q – steht für queer.

Am 17. Mai eines jeden Jahres wird seit einiger Zeit weltweit der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-,Trans- und Interphobie (IDAHOBITA*) gefeiert, international:  Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia, kurz IDAHOBIT.  Er fällt auf dieses Datum, da am 17.05.1990 die WHO Homosexualität von der Liste der psychischen Krankheiten strich. Seit 2005 erinnert dieser weltweite Protest- und Aktionstag an politische Anliegen der LSBTIQ*-Community und ruft zum Abbau von Diskriminierung gegenüber queeren Menschen auf. - Das "A" am Schluss wurde später ergänzt und steht für Asexuellenfeindlichkeit

Siehe auch: 
LSBTIQA*-Lexikon.Queere Begriffe leicht erklärt

Wer Lust hat oder wem etwas fehlt, kann gerne noch ein paar Buchstaben hinzufügen.Und sich mit anderen darüber streiten, wie viele richtig und gut sind und wie viele falsch und schlecht. Denn:

Freitag, 7. Juli 2023

Putins Rache

 Aurora

(Originaltitel: Archangel) ist ein 1998 erschienener Roman des britischen Schriftstellers Robert Harris. Der Thriller thematisiert die Recherchen eines britischen Historikers in der stalinistischen Vergangenheit Russlands, dabei verknüpft der Autor Fiktion mit historischen Fakten. [Wikipedia]

Inhalt: Der britische Historiker Fluke Kelso
nimmt an einem internationalen Historiker-Kongress in Moskau teil. Aus dem Fenster seines  Moskauer Hotels Ukrainia schaut er auf die Stadt. Dabei telefoniert er mit seinem US-amerikanischen Historiker-Kollegen Frank Adelmann von der Yale-Universität, der im Stock unter ihm sein Zimmer hat und ebenfalls aus dem Fenster schaut.

"Unterhalb Kelsos Zimmerfenster breitete sich Moskaus glitzernde Nachtlandschaft aus. Leuchtreklame schwebte über der Stadt wie die Standarten einer Invasionsarmee: Philips, Marlboro, Sony, Mercedes-Benz.
Früher einmal war es in Moskau nach Sonnenuntergang so dunkel gewesen wie in einer x-beliebigen Stadt im afrikanischen Dschungel. Das war jetzt vorbei.
Nirgendwo war ein russisches Wort zu sehen.
Kelso: »Ich hätte nie geglaubt, daß ich das einmal erleben darf. Sie etwa?«
Adelmanns Stimme knisterte aus dem Hörer:
»Das ist der Sieg, den wir vor uns sehen. mein Freund. Ist Ihnen das klar? Der totale Sieg.«
»Glauben Sie das wirklich Frank? Für mich sieht es nur aus wie eine Menge Lichter.«
»Oh nein. Es ist mehr als nur das, glauben Sie mir. Von hier aus führt kein Weg zurück.«
»Und als nächstes wollen Sie mir vermutlich erzählen, es wäre >das Ende der Geschichte<.« 

»Vielleicht ist es das. Aber Gott sei Dank nicht das Ende der Historiker.«
Adelmann lachte. »Wir sehen uns im Foyer. Sagen wir, in zwanzig Minuten.» Er legte auf.
[...] Das Ende der Geschichte, so ein Blödsinn dachte er. Moskau war die Stadt der Geschichte. Das war das ganze verdammte Land der Geschichte."

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Der Begriff  Ende der Geschichte (englisch End of History) wurde vom Politikwissenschaftler Francis Fukuyama durch einen im Sommer 1989 veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift The National Interest und ein Buch mit diesem Titel (The End of History and the Last Man, 1992) popularisiert. Er führte zu Kontroversen bis in die Leitartikel diverser Zeitungen. [Wikipedia]

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Putins Rache?

Wladimir Wladimirowitsch Putin,
* offiziell am 7. Oktober 1952 in Leningrad, ist ein russischer Politiker. Er führt seit dem 31. Dezember 1999 (mit formeller Unterbrechung von 2008 bis 2012) die Amtsgeschäfte als Präsident der Russischen Föderation. Von August 1999 bis Mai 2000 sowie von Mai 2008 bis 2012 war Putin Ministerpräsident Russlands. […] Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 sind die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zerrüttet […]. Im Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine militärisch. […] Der von ihm als „Spezialoperation“ bezeichnete Angriffskrieg löste eine Flüchtlingswelle von über 6 Millionen Ukrainern über die Landesgrenze sowie von ca. 8 Millionen Vertriebenen im Inland aus. [Wikipedia, abgerufen 7.6.2023] 

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Das Projekt Cassandra


"Projektleiter Jürgen Wertheimer, Professor für Internationale Literatur in Tübingen, beschäftigt sich bereits seit den 1980er Jahren mit der Frage, wie sich gesellschaftliche Stimmungen und Gefühle in literarischen Texten niederschlagen – und wie umgekehrt auch literarische Texte in die Gesellschaft hineinwirken und bestimmte Entwicklungen verstärken können.

Drei Jahre lang erforschte Projekt Cassandra im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung das prognostische Potential von Literatur
in konfliktgefährdeten Regionen. Die Hypothese: Krisen und Konflikte zeichnen sich bereits Jahre vor ihrem gewaltvollen „Ausbruch“ in der Literatur ab. Den meisten Kriegen geht ein „Krieg der Wörter“ voraus. Projekt Cassandra hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand von Literatur- und Rezeptionsanalysen drohende Krisen und Konflikte bereits in ihrer Latenzphase zu erkennen. Literatur als Frühwarnsystem, um nicht von vermeintlich plötzlichen „Zeitenwenden“ überrascht zu werden.
" [Quelle]
Vielleicht ist der Roman von Harris ein Beispiel dafür, wie anhand von Literatur drohende Krisen und Konflikte bereits in ihrer Latenzphase erkannt werden können: Literatur als Frühwarnsystem, um nicht von vermeintlich plötzlichen „Zeitenwenden“ überrascht zu werden?

Harris`s Roman Aurora

spielt im Jahr 1997 unter der Präsidentschaft von Boris Jelzin und erschien im Jahr 1998.
Am 12. Juni 1991 war Boris Jelzin bei den ersten russischen Präsidentschaftswahlen zum Präsidenten der Russischen Teilrepublik (RSFSR) gewählt und 1996 wiedergewählt worden . - Er war bis zu seinem Rücktritt am 31. Dezember 1999 im Amt, also insgesamt 8½ Jahre.

1997/98 hatte der heutige Präsident Wladimir Putin noch kein Regierungsamt in Russland inne.
Putin wurde 1989 zum Vize-Direktor der Universität St. Petersburg berufen. Im Jahr 1992 schied er mit dem Dienstgrad eines KGB-Offiziers in der ersten Hauptabteilung der Auslandsspionage aus dem Dienst des sowjetischen Geheimdienstes KGB aus.
Ab 1996 arbeitete Putin im Moskauer Kreml unter der Führung von Boris Jelzin. - 1998 stieg er zum Chef des Geheimdienstes FSB, im März 1999 zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates auf. -
In der Neujahrsnacht 2000 trat der russische Präsident Boris Jelzin von seinem Amt zurück. Der seit längerem gesundheitlich angeschlagene Jelzin gab der überraschten Weltöffentlichkeit Wladimir Putin als seinen Nachfolger bekannt. [Quelle] ...

Im Roman

begibt sich der oben genannte Historiker Dr. Fluke Kelso bei einem nächtlichen Ausflug in einen Club der Reichen und Schönen, der Prostituierten und der Geschäftsleute.  Dort erkennt ihn - "Großartig! Das hatte ihn gerade noch gefehlt" - ein US-amerikanischer Fernsehreporter, der in Moskau arbeitet. Der brüllt, um die Musik zu übertönen: "Das neue Russland. Man kauft sich, was immer man haben will, und es ist immer jemand da, der es verkauft."
Die beiden Männer kommen ins Gespräch:

Reporter zu Kelso: "Es ist wie in der Weimarer Republik.
Haben Sie nicht genau das geschrieben? Schauen Sie sich doch um. Das einzige, was noch fehlt, ist Marlene Dietrich, in einem Smoking, und wir könnten ebensogut in Berlin sein. Mir hat Ihr Buch übrigens gefallen, Professor. Habe ich Ihnen das schon gesagt?"
Kelso: "Haben Sie. Danke. Prost!"
Reporter: "Die Weimarer Republik, so sehe ich es. Genauso, wie Sie es sehen. Sechs Dinge sind gleich, okay? 

  • Erstens, da ist ein großes Land, ein stolzes Land, das sein Imperium verloren hat, im Grunde einen Krieg verloren hat, sich aber nicht vorstellen kann, wie das passieren konnte - also glaubt es, daß ihm jemand einen Dolchstoß in den Rücken versetzt hat, also gibt es massenhaft Ressentiments, richtig?
  • Zweitens, Demokratie in einem Land, das keinerlei demokratische Tradition hat die Russen können Demokratie nicht von einem Loch in der Erde unterscheiden -, die Leute mögen sie nicht, haben das ganze Diskutieren satt, sie wollen eine starke Linie, irgendeine Linie. 
  • Drittens: Grenzprobleme - massenhaft Volksangehörige leben plötzlich in anderen Ländern, behaupten, dort unterdrückt zu werden. 
  • Viertens: Antisemitismus- man kann Marschlieder der SS an jeder Straßenecke kaufen. Bleiben noch zwei Punkte." 

Kelso: "Und welche sind das?" Es gefiel ihm gar nicht, daß seine Ansichten von O'Brian so plump nachgeplappert wurden, als wäre er ein Tutor in Oxford.

  • Reporter: "Wirtschaftlicher Zusammenbruch, und der wird kommen, glauben Sie nicht?"

Kelso: "Und?"

  • Reporter: "Liegt das nicht auf der Hand? Hitler. Noch haben sie ihren Hitler nicht gefunden. Aber wenn es soweit ist - dann sollte die restliche Welt auf der Hut sein."

Der Reporter legte den linken Zeigefinger auf die Oberlippe und hob den rechten Arm zum Nazigruß. Eine Gruppe von russischen Geschäftsleuten auf der anderen Seite der Bar johlte und applaudierte. Danach verging der Abend wie im Flug.

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Womit wir bei dem beliebten Vergleich zwischen Putin und Hitler wären ? 

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Aus dem Roman: 

"Sie gehen mir auf die Nerven", sagte der Russe. Offenbar fing er jetzt an, die Beherrschung zu verlieren. "Leute wie Sie. Was wollt ihr denn noch alles von uns? Ihr habt gewonnen, aber reicht euch das? Nein, ihr müßt es uns auch noch ständig unter die Nase reiben - Stalin, Lenin, Berija: Ich kann diese verdammten Namen nicht mehr hören - und zwingt uns, alle unsere schmutzigen Kleiderschränke zu öffnen und uns in Schulgefühlen zu suhlen, nur damit ihr euch überlegen vorkommen könnt ..."

 Ende