Dienstag, 6. August 2013

Von Bert Hellinger, Konfuzius, Lernbegleitern und dem Namen der Dinge

Sie haben vielleicht von den Familien-Aufstellungen von Bert Hellinger gehört. Und vielleicht sind Sie davon begeistert, und ganz vielleicht haben Sie sich dann sogar für 10 Euro ein Poster bestellt, das wahlweise in deutsch, englisch, spanisch, italienisch und russisch erhältlich ist.


Bei Hellinger geht es viel um "Ordnung".
 "Vielerlei Unglück oder Scheitern, zum Beispiel in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Beruf begründet sich durch Verstöße gegen die wichtigsten Lebensordnungen. Wenn wir nun diese „Lebensordnungen“ kennen, können wir sie auf bewusste Weise in unser tägliches Leben einbeziehen und uns ihnen gemäß verhalten." [...]

Diese Ordnung, so Hellinger a.a.O., 
"verlangt, dass jeder von uns in seiner Familie den ihm bestimmten Platz einnimmt, der nur ihm zukommt. Diese Rangordnung ist eine hierarchische Ordnung. Das heißt, in ihr gibt es einige, die höher stehen und von daher zuerst kommen, und andere, die unter ihnen stehen und nach ihnen kommen. Was bestimmt diese Rangordnung? Die Zeit der Zugehörigkeit. Wer früher ein Mitglied der Familie war, hat Vorrang vor denen, die nach ihm kamen. Jene Macht, die alles in Leben ruft, hat ihn vor denen, die nach ihm kommen, ins Leben gerufen. Auf diese Weise kommen die Eltern vor ihren Kindern, das erstgeborene Kind kommt vor dem zweiten, und so weiter. Das heißt, wenn sich ein später Dazugekommener über jemanden erhebt, der vor ihm da war, verstößt er gegen diese Rangordnung. Jeder in der Familie hat seinen eigenen ihm zustehenden Platz." [...]
"Diese Rangordnung gilt für alle Organisationen. Von daher steht der Erzieher im Rang über dem Schüler und stehen die Eltern im Rang über dem Erzieher. Zugleich dienen jene, die früher da waren, denen, die nach ihnen kommen. So dienen die Eltern den Lehrern und unterstützen sie, und beide, Eltern und die Lehrer, dienen den Kindern." 
Es gibt diese berühmte Geschichte, in der in einer Familienaufstellung bei Hellinger eine Frau berichtet, dass sie von ihrem Vater missbraucht worden sei. Hellingers "Ordnung der Liebe" sagte dazu: "Wenn sich ein später Dazugekommener über jemanden erhebt, der vor ihm da war, verstößt er gegen diese Rangordnung. Jeder in der Familie hat seinen eigenen ihm zustehenden Platz." Wenn die Tochter nun ihren Vater des Missbrauchs anklagen würde, sich damit über den Vater erheben, so verstößt sie gegen die "Ordnung der Liebe", von der die Rangordnung in der Familie ein Teil ist. Die Tochter tut es aus Liebe zum Vater, daher ist der Missbrauch kein Missbrauch, sondern Teil der "Ordnung der Liebe".



Damit sind wir beim "Namen der Dinge":


Was der Vater mit der Tochter tat: Ein Akt des Missbrauchs oder ein Akt der Liebe? Derselbe Akt des Vaters kann mit unterschiedlichen Namen belegt werden. George Orwell nannte das in seinem Roman "1984" "newspeak", Neu-Sprech, Neu-Sprache: 
Ein herrschendes Regime verändert die Bedeutung der Wörter, um damit das Denken der Bevölkerung in neue Bahnen zu lenken, in Orwells Roman mit dem Ziel, die Bevölkerung so zu manipulieren, dass sie nicht einmal an Aufstand denken kann, weil ihr die Worte dazu fehlen. Das Kriegsministerium hieß "Ministerium für Frieden", das Propaganda-Ministerium "Ministerium für Wahrheit" [wikipedia] 
In Hellingers newspeak wird das Erdulden des sexuelles Missbrauch durch den eigenen Vater zu einem Akt der Liebe des Kindes zum Vater. - Na prima.


  • Kann man in der Schule dieselbe Person mal als Lehrerin mal als Lernbegleiterin bezeichnen? Was ist newspeak? Was ist der richtige Name der Dinge?  Und bei Konfuzius:

 Und bei Konfuzius:


Über Konfuzius sagt man: "Hätte man Konfuzius die Regierung anvertraut, seine erste Maßnahme wäre das Berichtigen der Namen (zheng ming) gewesen". - Der erste Schritt eines erfolgreichen Regierens besteht bei Konfuzius im Berichtigen der Namen. So wie in Orwells Roman? So wie bei Hellinger? Man könnte es meinen, denn auch bei Konfuzius spielt die richtige Ordnung eine wichtige Rolle: "Li", die Riten, tradierte Formen und Normen des Altertums. Der (gute, weise, edle) Fürst muss sicherstellen,
dass der Herrscher der Herrscher,
der Diener Diener,
der Vater Vater,
der Sohn Sohn ist.
Was der Name "Herrscher" bedeutet, war bei Konfuzius durch die "edlen" Herrscher der Vergangenheit vorgegeben, die gewaltfrei regierten und durch ihr Vorbild inspirierten. "Ich liebe das Altertum und ergründe es ernsthaft." - Ein Tyrann auf dem Thron darf nicht "Herrscher" genannt werden, und seine Entmachtung kann gerechtfertigt oder sogar geboten sein. 
Vor dem Berichtigen der Namen steht also zunächst ein Klärungs-Prozess: Was sagt Herrscher-Sein, Vater-Sein, Bürger-Sein Lehrer-Sein, Lernbegleiter-Sein konkret aus? 

Siehe auch: 


Konfuzius, "Lehrer der Werte", wollte nie "Lehrer" genannt werden. Er lebte im 6. Jahrhundert v.Chr. im Lande Lu in China und war damit (mehr oder weniger) Zeitgenosse von Buddha in Indien, Sokrates in Griechenland und Nebukadnezar in Babylonien, der dort die Israeliten in "Babylonischer Gefangenschaft" hielt. 

Nichts Genaues weiß man über seine Schule. Konfuzius wurde es nie müde zu lehren, sagt man, dennoch beunru­higte es ihn, wenn dies als seine Berufung gesehen wurde.
Er soll 3000 Schüler gehabt haben, die meisten zwischen 30 und 50 Jahre alt, 72 von ihnen, von denen er sich besonders verstanden fühlte, sind namentlich bekannt, z.B. Yan Hui, der 30 Jahre jünger war als Konfuzius und als sein begabtester Schüler galt. Mit ihm und anderen wanderte er auch 13 Jahre im Exil durch die Nachbarländern Wei und Chen, bis er nach Lu zurück kehrte, wo er im Alter von 72 Jahren starb.


Siehe auch:

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