Sonntag, 24. Mai 2015

Pfingsten 2015 n.Chr., "Coming-Out" 30 n.Chr., Irland, der Heilige Geist und die Menschenrechte


"Pfingsten //
sind die Geschenke am geringsten //
während Ostern, Geburtstag und Weihnachten //
was einbrachten." –
Bertolt Brecht, Ein Kinderbuch
Das stimmt für 2015 nicht. 
Pfingsten 2015 hat sehr viel eingebracht, genauer gesagt der Tag vor Pfingsten 2015: Im katholischen Irland wehte der Heilige Geist und den Irinnen und Iren brachte er die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe.
Der italienische Kardinal Pietro Parolin (Jg. 1995), Staatssekretär und Diplomat Seiner Heiligkeit des Papstes Fransziskus, sieht das allerdings anders, für ihn war das Brausen in Irland vielleicht eher das Wehen eines teuflichen Geistes? :

Kardinal Pietro Parolin. Quelle: Wikipedia
Wappen des Kurien-Kardinals Parolin:
"Was kann uns von der Liebe Gottes trennen?"
Eine gute Frage.

"Ich war sehr traurig über das Ergebnis",
sagte Parolin, "und ich denke, dass das nicht nur eine Niederlage für die christlichen Prinzipien ist, sondern eine Niederlage für die Menschheit."Quelle
Schade, dass er traurig ist. _____________________________________________________

Nun er einmal zurück zu den Anfängen - und dann wieder zu Irland:

Pfingsten, Jerusalem, 30 n.Chr.:

Die Taube - Symbol für den "Heiligen Geist"
Die Geschichte spielt ungefähr im Jahre 30 nach Christi Geburt, 50 Tage nachdem einige Frauen Jesu Grab leer vorgefunden hatten: Von Jesus weit und breit keine Spur mehr (doch, das Leichentuch soll noch in der Grabhöhle gelegen haben...), aber Jesus selber blieb verschwunden; "in den Himmel gefahren" sei er, so sagte man.
An diesem 50. Tag also (= Pfingsten) so sagt man, wurde über seine darüber verzweifelte Anhängerschar der Heilige Geist ausgegossen.


"Ausgießung des Heiligen Geistes" (?)  -
Aber wer kann mit dieser Erklärung schon etwas anfangen? - Ok: Die Pfarrer_innen natürlich und die katholische Priester auch.

Lassen wir einen katholischen Pfarrer zu Wort kommen:
»Wie sollte ich mich daran freuen, dass der Heilige Geist offenbar die Verwirrung der Sprachen auflöst und die Menschen einander plötzlich verstehen können? Ich wusste ja, dass das wieder in den Kirchen verkündet wird, so wie heute – als ein Hinweis darauf, dass Gottes Geist wirkt: Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Wie konnte ich daran glauben [...]?«

Und einen evangelischen:
»Dann ist Pfingsten also das Fest der „Wiederbelebung“, der Reanimation. Das muss die Ur-Gemeinde in Jerusalem tatsächlich so erfahren haben. Denn mit dem Tod Jesu am Kreuz war in den Menschen seiner Gefolgschaft fast alles Leben erloschen. Nun aber brechen sie die verschlossenen Türen auf, stürzen hinaus ins Freie und sind nicht mehr zu bremsen. Ein Hasenfuß vom Schlag eines Petrus mausert sich zum Straßenprediger. Trauer und Resignation schlagen um in eine unglaubliche Begeisterung.«

Pfingsten ist das Fest der Wiederbelebung, 
das Fest der Reanimation, das Fest des Heraus-Kommens, des Aus-Sich-Herauskommens, des "Coming-Out",
an dem die ersten Schüler_innen Jesu aus ihren Verstecken kamen (sie hatten Angst gehabt, ebenso bestraft und gekreuzigt zu werden wie ihr "Meister" Jesus). -
Nach  7x7 Tagen der Depression, des Verzagens, des Versteckens und der Angst war am 50. Tag bei ihnen der Groschen gefallen: Sie wollten mutig sein, wollten trotz der Gefahren und auch ohne ihren anwesenden Meister weitermachen, seine Lehre, die Frohe Botschaft, verbreiten und weiter nach dieser Lehre leben. - Über diese Idee, diesen Entschluss, waren sie offenbar so überaus begeistert, dass sie wie irre oder betrunken auf der Straße getanzt haben sollen.

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Irland, Dublin, um 1900 n.Chr.:

Der Familienvater Oscar Wilde,
Die heutige Flagge Irlands (Trikolore)
wurde erstmals vom Jungen Irland als solche verwendet.
Jahrgang 1854, (Hochzeit 1884, 2 Söhne) ging – für die damalige Zeit – relativ offen mit seiner Homosexualität um. Oscar Wildes Vater William war Irlands führender Ohren- und Augenarzt und schrieb Bücher u.a. über Archäologie und Folkloret. Seine Mutter Jane war von Beruf Übersetzerin. Sie engagierte sich im Young Ireland Movement unter dem Pseudonym „Speranza“ („Hoffnung“) und galt als revolutionäre Lyrikerin.

Oscar Wildes homosexuellen Partnerschaften 
führten schließlich zu einem gesellschaftlichen Skandal, drei Gerichtsprozessen und Wildes Niedergang. Oscar Wilde wurde verhaftet, wegen Unzucht angeklagt und am 25. Mai 1895 zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Gesundheitlich schwer angeschlagen wurde Wilde 1897 aus der Haft entlassen und floh vor der gesellschaftlichen Ächtung nach Paris. Obwohl völlig mittellos, wurde er vom Besitzer des Hotels im besten Zimmer untergebracht. Am 30. November 1900 starb Oscar Wilde im Pariser „Hotel d’Alsace“. Auf dem Sterbebett trat Wilde zur römisch-katholischen Kirche über. [Quelle: wikipedia]  

Noch bis 1993 stand Homosexualität in Irland unter Strafe.

Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches
 (§ 175 dStGB) existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe.

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 Irland, Dublin, am Tag vor Pfingsten 2015 n.Chr.
 
Nach der "Ausgießung des Heiligen Geistes" in Irland, 23. Mai 2015
Mit deutlicher Mehrheit von 62,1 Prozent haben die Iren Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe gesagt. Für den katholisch geprägten Staat bedeutet das Votum eine Zeitenwende. Noch bis 1993 stand Homosexualität unter Strafe. Mit Irland hat das 20. Land der Welt die Ehe für gleichgeschlechtliche Ehe geöffnet,
 Irland hat per Volksabstimmung den Weg für gleichgeschlechtliche Ehen freigemacht. 62,1 Prozent der Iren stimmten für eine Verfassungsänderung, die künftig auch die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. 37,9 Prozent votierten dagegen, wie aus dem amtlichen Ergebnis hervorgeht.
Selbst in den meisten Regionen des katholisch geprägten Landes, die als nicht sehr liberal gelten, stimmte eine Mehrheit mit Ja.
Zu dem Referendum am Freitag (22. Mai 2015) waren 3,2 Millionen Wähler aufgerufen. Irland ist das erste Land, das weltweit über die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abstimmen ließ. Dabei ging es um eine Änderung der Verfassung, derzufolge die Ehe bislang ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau möglich war. Das Geschlecht soll künftig keine Rolle mehr spielen. [Quelle: tagesschau.de]
Dem Sender RTE zufolge stimmten in einigen Bezirken der Hauptstadt Dublin bis zu 80 Prozent dafür. "Das Thema hat einen Nerv in Irland getroffen", sagte Gleichstellungsminister Aodhan O'Riordhain. Die Wahlbeteiligung sei beispiellos. Gesundheitsminister Leo Varadkar sprach von einer "sozialen Revolution".

Und Deutschland 2015 ?  
In der Fragen der LGBT-Menschenrechte wird Deutschland zum Schlusslicht Europas, längst überholt von Südafrika und Uruguay. - "US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle meldeten sich selbstverständlich zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie zu Wort – im Bundeskanzleramt dagegen nur Schweigen."

»But the battle for full human rights
for gay, lesbian, bisexual, and transgender persons must be won not only on the floor of the Bundestag, or the U.S. Congress and Supreme Court, or the UN General Assembly or Human Rights Council, but also in the streets and public squares of our towns and cities, in classrooms, in workplaces, and in the living rooms and around the kitchen tables of our families and friends – and ultimately in the hearts and minds of people. [...] As President Obama said in his speech at the Brandenburg Gate two years ago [19. Juni 2013], “When we stand up for our gay and lesbian brothers and sisters and treat their love and their rights equally under the law, we defend our own liberty as well.” [...] «
Quelle: Seine Exzellenz der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika, Herr John B. Emerson
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Irland, Dublin, 1. Weltkrieg, um 1912 n.Chr.:

Auszug aus dem Roman:
Im Meer, zwei Jungen (Originalausgabe London 2001; Deutsche Erstauflage Luchterhand 2003). Autor: Jamie O’Neill (* 1962 in Dún Laoghaire, 10 km südlich von Dublin).

Ein hinreißendes Epos über Liebe und Freiheit
Irland: Allerorts brodeln politische Unruhen. Der 16-jährige Krämersohn Jim freundet sich mit dem Arbeiterjungen Doyler an. Täglich treffen sie sich an einem Badefelsen vor Dublin. Dort schließen sie einen Pakt: Doyler soll Jim das Schwimmen beibringen. Denn am nächsten Ostersonntag wollen sie zusammen zu den Felsen der Muglins schwimmen und die irische Fahne hissen. Doch dann werden die beiden Jungen von der Realität eingeholt, und die politischen Konflikte drohen, sie wieder auseinanderzureißen. Ein gefährliches, herrliches Buch: eines, das jeden dazu bringen kann, ungeniert zu lachen und zu weinen. The New York Times Book Review


Leseprobe:

Die Vielseitigkeit der Dinge lenkte ihn ab.
Beispielsweise, dass es geglättete Flächen für den Verkehr gab und dass vom flachen Lande Landstraßen kamen, die, sobald sie auf die Stadt trafen, zu Stadtstraßen wurden. Zu beiden Seiten dieser Straßen verlege man zur größeren Bequemlichkeit der Fußgänger Gehsteige, von der Straße durch eine Bordkante getrennt, die idealerweise etwa zehn Zentimeter hoch ist, so dass eine Gosse entsteht, die dank der Wölbung der Straße und der vorausschauenden Ausstattung mit Kanälen die Beseitigung von Regen und Abwässern bewerkstelligt.
 

Bitte, Sir, genug der Gehsteige: Wie steht's mit den Menschen?

Man teile die Menschen nach Geschlechtern ein, deren es zwei geben soll:
Männlein und Weiblein. Das Unterscheidungsmerkmal sei ihre Fortpflanzungsfunktion, wiewohl man gütigst darauf achte, dass man sich diese Funktion idealiter und nicht realiter zu denken hat: die Vorpubertären, die Zölibatären, die Kastrierten, die Nulliparen, die aus welchen Gründen auch immer Fortpflanzungsunfähigen seien nichtsdestotrotz nach Geschlecht klassifiziert. Sie sollen männlich oder weiblich sein. Weiblich oder männlich sollen sie sein, obwohl der größere Teil männlich sein soll.

Bitte, Sir, genug des Geschlechts!
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Deutschland, Evangelische Landes-Kirche Baden, April 2015

Geschlecht und Beziehung

Eine evangelische Perspektive - von Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
Ein Beitrag zum Fachtag „Es geht auch anders“ - Kirche auf dem Weg zur Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und Identität am 17. April 2015 in der Evangelischen Hochschule Freiburg

Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
im Gespräch mit Joachim Kaiser, Campus-TV

[...] Sexualität gehört zum Menschsein; sie ist eine gute Gabe Gottes. Wenn Sexualität gelingt, führt sie Menschen in eine innige, lustvolle Beziehung und vertieft sie. Zugleich ist sie durch Abhängigkeiten und Zwang bedroht, heute unter anderem durch den Druck, sich an bestimmte Ideale der Attraktivität oder der sexuellen Leistungsfähigkeit anzupassen.

Fast durchgehend wird Sexualität in der menschlichen Geschichte mit der Grundunterscheidung Mann oder Frau verbunden. Aber schon in der Bibel begegnet eine Vielfalt von Lebensformen. Wenn heute über das Thema „sexuelle Vielfalt“ gesprochen wird, so geht es um Heterosexualität und Homosexualität, aber auch um Transsexualität und Intersexualität, also um Menschen, die sich selbst nicht in einer dichotomischen Unterscheidung von Mann und Frau wiedererkennen, sei es, dass bei ihnen Geschlechtsmerkmale von Mann und Frau ausgeprägt sind, sei es, dass sie sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen. Auch das Thema Asexualität, aus unterschiedlichen Gründen gelebte Keuschheit, ist Gegenstand von kirchlichen Debatten.

Leider hat die Diskriminierung von Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder Identität in den Kirchen eine lange Tradition. Die klare Zuordnung zu einem der zwei Geschlechter galt als selbstverständlich, als schöpfungsgemäß oder naturgegeben; andere Formen von Sexualität wurden als Abweichungen vom Normalen gesehen und ausgegrenzt. Die Kirche folgte der gesellschaftlichen Norm, prägte und beförderte sie. [...] 
 > Der ganze Text 
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Siehe auch:

 

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