Sonntag, 10. Juli 2016

Verkrustete Traditionen im Islam und deren Kritik und Reform von innen (und außen)

Quelle: kulturradio rbb
Ahmad Mansour 
  • wurde 1976 in Israel in dem damaligen kleinen arabischen Dorf Tira (heute Kleinstadt) als Sohn arabischer Israelis geboren. In seiner Schulzeit kam er in Kontakt mit einem fundamentalistischen Imam, wodurch er beinahe zu einem Islamisten wurde. Er studierte Psychologie  (1996–1999) in Tel Aviv, löste sich vom Islamismus. Nachdem er einen Anschlag miterlebt hatte, ging er 2004 nach Deutschland, setzte später sein Studium in Berlin fort. Dort arbeitet er als 
  • wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für demokratische Kultur in Berlin, 
  • ist Programmdirektor der European Foundation for Democracy  
  • und Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland. [Quelle: wikipedia u.a.] 



Er schreibt:
"Ich entspreche nicht dem Klischee dessen, der sich ausschließlich über rassistische Vorurteile beklagt – auch wenn ich das durchaus tue – , sondern
  • ich begrüße die Demokratie, in der ich hier lebe,
  • und ich kritisiere offen und deutlich die konfessionelle Enge der muslimischen Communities hier im Land.
  • Ich kritisiere muslimische Dachverbände wie Ditib oder den Zentralrat der Muslime,
die behaupten, im Namen meiner Religion zu sprechen und für alle Muslime in Deutschland, was schon allein statistisch nicht stimmt.

Ich setze mich für innerreligiöse und gesellschaftliche Reformen ein und spreche
öffentlich darüber, dass vieles schiefläuft in den Familien, an den Schulen, in der Gesellschaft, im Umgang mit religiösem Fundamentalismus und islamischem Radikalismus. [...]"
"Brennende Probleme der muslimischen Communities":

"Den kritischen Muslimen wird die Debatte in Deutschland von zwei Seiten verweigert:
  1. von den offiziellen muslimischen Verbänden
  2. und von den meisten linken, grünen Milieus. -
Das ist erstaunlich und sollte zu denken geben. In beiden Lagern weigert man sich, brennende Probleme der muslimischen Communities klar zu benennen und anzugehen.
Diese Probleme sind, unter anderem: 
  1. Das Anwachsen eines gefährlichen Fundamentalismus,der immer mehr junge Leute in den Terrorstaat des IS zieht,
  2. das Ausgrenzen von Frauen als Menschen zweiten Ranges,
  3. die Erziehung von Kindern mit Angstpädagogik,
  4. eine Sexualfeindlichkeit, die zugleich hochgradig se­xualisiert wie tabuisiert,
  5. ein Buchstabenglaube, der den Koran nicht in seinem historischen und lokalen Kontext versteht, sondern als von Allah diktierten Text begreift.
Tausende von Beispielen zeigen, wie unfrei und unglücklich das Kleben an diesen Vorstellungen macht." [...]
  • "Traditionelles Islamverständnis befördert sexuelle Tabus und sexuelle Gewalt. Es hat enormen Einfluss auf das Verhalten der Geschlechter zueinander.-
Was in der Kölner Silvesternacht* passiert ist,
hat sein Vorbild auf dem Kairoer Tahrirpatz und anderswo.

Von der „religiösen Tradition“ zur sexuellen Abstinenz gezwungene junge Männer, greifen auf Frauen in der Öffentlichkeit zu.

Das festzustellen ist nicht rassistisch, sondern ein Fakt.
Wir, die Muslime, haben das Problem –
die kritischen unter uns benennen es und brauchen die Solidarität der Demokraten im Land.

Von der AfD, von Pegida wollen wir sie nicht, denn sie ist keine. Solange die muslimischen Verbände – ebenso wie die Grünen und Linken – leugnen,

  • dass ein traditionell patriarchalisches Verständnis des Islam den fundamentalistischen Muslimen in die Hände spielt,
solange haben bei diesem Thema AfD und Pegida das Sagen.Die Neue Rechte pachtet das Benennen der Probleme für sich – und sie tut es auch tatsächlich: hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch. [...]
Wir kritischen Muslime sind viele. 
Mehr als Ihr denkt. Im April 2015 habe ich in Berlin das „Muslimische Forum Deutschland“ mitgegründet. Wir streiten für einen humanistischen Islam, für eine Debatte innerhalb der muslimischen Community. Wir sind JournalistInnen, IslamwissenschaftlerInnen, wir sind SoziologInnen, PsychologInnen, Studierende. Und wir alle sind Teil dieser Gesellschaft. Traut euch, uns zuzuhören, mit uns zu diskutieren!" [Quelle und ganzer Text] 
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Literatur:


Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Bislang stehen Politik, Gesellschaft und besonders die Schulen diesen Fragen hilflos gegenüber. ... Mansour beantwortet diese Fragen mit beeindruckender Klarheit und Reflexion. Denn keiner kennt wie er beide Seiten. Bevor er den mühsamen Ausstieg schaffte, war er selbst radikaler Islamist. Jetzt arbeitet Ahmad Mansour in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Präventionsarbeit zeigt er beeindruckend, dass eine Deradikalisierung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam. [Klappentext



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p.s.:
Religiösen Fundamentalismus findet man ebenso bei "religiösen Communities" in anderen großen Religionen. -  Mit sich überschneidender Thematik:
  • Ausgrenzung von Frauen, z.B. für das Priesteramt in der katholischen und den christlich-orthodoxen Kirchen.
  • Buchstabenglaube, z.B. in pietistischen, evangelikalen Kreisen der evangelischen/protestantischen Kirchen
  • Angstpädagogik in einigen sog. christlichen "Sekten" mit Berufung auf Sprüche 13,24 in der Bibel: "Wer seiner Rute schonet, der hasset seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtiget ihn bald". - Drohungen mit dem Jüngsten Gericht, dem Fegefeuer, der Hölle... .
  • Sexualfeindlichkeit, wie z.B. jüngst wieder in der Württembergischen Evangelischen Landeskirche ...
Die württembergische Landeskirche zählt zu den homofeindlichsten in Deutschland. Trotzdem hat sich ein gleichgeschlechtliches Paar in Böblingen am 25. Juni 2016 das Ja-Wort gegeben. Die Segnung eines lesbischen Paares in der evangelischen Stadtkirche St. Dionysius in Böblingen, die bereits vor zwei Wochen durchgeführt wurde, sorgt für Irritationen. Der Stuttgarter Kirchenrat Dan Peter erklärte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur "Idea", dass der Fall derzeit überprüft werde. "Die beschriebene Handlung ist mit den derzeitig gültigen Regelungen der Landeskirche nicht vereinbar", kritisierte Peter."
  •  und in anderen evangelischen "Communities" (nicht nur) in Württemberg.
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* Kölner Silvesternacht - Ein halbes Jahr danach:

Der 26-jährige Hassan T. und der 20-jährige Hussein A. werden zu einjährigen Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Jüngere der beiden, ein irakischer Flüchtling, Lena S. sexuell genötigt hat. Der Ältere, ein Algerier, lebt seit eineinhalb Jahren in einer Asyl­un­ter­kunft in Kerpen bei Köln. Weil er nicht eingriff, wird er wegen Beihilfe zu sexueller Nötigung verurteilt. Und wegen versuchter Nötigung, weil er Jennifer D.s Verlobten bedrohte.

Der Urteilsspruch kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beweislage zu den sexuellen Übergriffen erschreckend dünn ist und wohl auch bleiben wird. Erst zwei Verfahren gab es dazu vor dem Amtsgericht – angesichts von 491 Strafanzeigen, angefangen von Beleidigung bis hin zu Vergewaltigung, ist das sehr ­wenig.
In einem ersten Verfahren An­fang Mai musste der Vorwurf der sexuellen Nötigung wieder fallen gelassen werden, weil das Opfer den Angeklagten nicht wiedererkannte. Und das ist das Hauptproblem: Die Opfer erkennen die Männer, die sie bestohlen oder begrapscht haben, nicht wieder. Es war dunkel, eng, chaotisch – die Frauen wollten einfach nur weg. -

„In den gravierendsten Fällen, also bei Vergewaltigungen, haben wir bislang keine Verdächtigen“, sagt er. Insgesamt 1.000 Stunden Videomaterial hat die „Soko Neujahr“ ausgewertet, stark ver­pixelte Aufnahmen aus der dunklen Bahnhofshalle. „Super-Recognizer“ unterstützten sie, besonders geschulte Fahnder, die auch auf schlechten Videoaufnahmen Personen erkennen können. „Die Ermittler haben sogar den Weg der Opfer durch den Hauptbahnhof nachverfolgt, und ihnen dann Videosequenzen von verschiedenen Orten gezeigt“, sagt Bremer. Doch vergeblich, die Frauen erkannten keine Gesichter.
Wie sie sich verabredet haben, bleibt unklar
Anfangs arbeiteten 150 Leute bei der „Soko Neujahr“, jetzt sind es noch 17. Sie werten weiterhin vor allem Handyverbindungen aus – noch immer die besten Beweise: Handys lassen sich orten, ihr Verkauf durch Seriennummern belegen. Damit lassen sich Diebstahl und Hehlerei nachweisen. Aber eben keine sexuel­len Übergriffe.
Insgesamt laufen gegen 215 Beschuldigte Ermittlungsverfahren, in 43 Fällen auch wegen sexueller Gewalt. Nur drei Verdächtige sitzen wegen ­einer Sexualstraftat in Untersuchungshaft. Zwei Drittel der Tatverdächtigen stammen aus Nordafrika, bei der Hälfte ist der Aufenthaltsstatus ungeklärt.
Seit Jahren kümmert sich bei der Kölner Polizei ein speziell geschultes Team um das „Maghrebmilieu“, sammelt die Daten nordafrikanischer Straftäter in einer eigenen Datei namens „Nafri“. Was viele erstaunte: Es gibt keine Überschneidungen mit den Tätern der Silvesternacht. Das heißt, die meisten Beschuldigten stammen nicht aus der Kölner Antänzerszene, sie sind erst im Herbst oder Winter 2015 nach Deutschland eingereist. An Silvester kamen sie aus verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens nach Köln.
Wie sie sich verabredet haben, ist immer noch ein Rätsel. Auch im Verfahren von Jennifer D. und Lena S. konnte nicht geklärt werden, ob und woher die Angeklagten sich kannten und was sie auf die Domplatte geführt hatte.
Es gibt bis heute keine Hinweise auf ein organisiertes Verbrechen oder auf einzelne Drahtzieher. Alles deutet darauf hin, dass sich die Männer spontan zu Gruppen zusammenschlossen. Um mehr zu erfahren, werten die Ermittler auch soziale Medien aus, lassen Chatverläufe aus dem Arabischen übersetzen. ... [Quelle und ganzer Text]




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