Religionsunterricht
Siehe auch: Christliche und Islamische Religions-Verbände.
Da die Kultuspolitik Ländersache ist, sind die Regelungen für den Religions-Unterricht in jedem der deutschen Bundeländer anders.
- In Brandenburg zum Beipsiel gibt es z.B. keinen konfessionellen Religionsunterricht, sondern das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (L-E-R): Seit dem Schuljahr 2008/2009 wird das Unterrichtsfach L-E-R flächendeckend in allen Klassen der Jahrgangsstufen 5 bis 10, in denen nach der Grundschulverordnung bzw. nach der Sekundarstufe I-Verordnung unterrichtet wird, angeboten.
- In Bremen heißt der Religionsunterricht seit 2014 "Religion". Der Unterricht im Fach Religion hat nicht die Aufgabe, zu einem bestimmten Bekenntnis oder zu einer bestimmten Religion hinzuführen und ist nicht bekenntnisorientiert. Zielgruppe ist die ganze Klassengemeinschaft: „Das Fach Religion wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler, ungeachtet ihrer jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen. Es bietet auch jenen, die keinen ausgeprägt religiösen Hintergrund haben bzw. sich in Distanz oder Widerspruch zu jeglicher Form von Religion verstehen, Erfahrungsräume und Lernchancen“.
Siehe auch: Bremer Klausel - In Baden-Württemberg wird - anders als in Brandenburg und Bremen - die Klassengemeinschaft zum Religion-Unterricht aufgeteilt.
In der Landesversfassung heißt es:
- Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen öffentlichen Schulen.
- Der Religionsunterricht wird, nach Bekenntnissen getrennt, in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft von deren Beauftragten erteilt und beaufsichtigt.
- Für eine religiöse Minderheit von mindestens acht Schülern an einer Schule ist Religionsunterricht einzurichten.
- Wird für eine religiöse Minderheit von weniger als acht Schülern religiöse Unterweisung erteilt, hat der Schulträger den Unterrichtsraum unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
[Ich nehme an, Schülerinnen werden auch mitgezählt.]
In der Praxis
wird das - grob gesagt - dann so gehandhabt, dass wenn "Religions-Unterricht" im Stundenplan steht, (das sind meistens 2 Stunden pro Woche), die Klassengemeinschaft nach Bekenntnissen getrennt wird. Es gibt dann z.B. - in getrennten Räumen und zur gleichen Uhrzeit parallel:
- evangelischen Religions-Unterricht unter Aufsicht der evangelischen Landeskirche und mit einer evangelisch getauften LehrerIn,
- katholischen Religionsunterricht unter Aufsicht der katholischen Kirche und mit einer katholisch getauften Lehrkraft,
- Ethik-Unterrricht unter Aufsicht der Schulverwaltung
- und islamischen Religionsunterricht mit einer muslimischen Lehrkraft unter Aufsicht von....? Ja - von wem?
- (Auch jüdischer Religions-Unterricht ist möglich, aus den bekannten Gründen mangelt es aber in Deutschland meistens an jüdischen Schulkindern.)
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Quelle |
Die Begründung für die Forderung nach islamischen Unterricht in den Schulen Baden-Württembergs und auch z.B. Bayerns ist dann:
Lieber Islam-Unterricht in der Schule unter Aufsicht der deutschen Behörden als ohne Kontrolle in einer fundamentalistischen islamistischen Hinterhof-Moschee, die vielleicht von der türkischen Regierung oder von saudi-arabischen islamistischen Salafisten und Wahabiten finanziert wird.
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Quelle und Fortsetzung und bteiligte Islam-Verbände |
Im Schuljahr 2015/2016 standen in BW insgesamt 69 Schulen fest, die den Islamischen Religionsunterricht anbieten und über 60 Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Fach unterrichten. Erstmals sind seit diesem Schuljahr 2015/2016 auch drei Gymnasien dabei, die den Islamischen Religionsunterricht anbieten (siehe Standortliste im Anhang).
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Bassam Tibi ist dagegen
Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi warnt:
Die Politik müsse aufpassen, dass nicht Islamisten den Weg ins Klassenzimmer finden.
Quelle |
Bassam Tibi vertritt einen Islam,
der die Vielfalt der Religionen und der menschlichen Lebensweisen anerkennt. Er sieht sich damit in der Tradition der islamischen Aufklärung, die ihren Höhepunkt im 12. Jahrhundert hatte. "Die wurde getragen von Philosophen wie
- Al-Farabi,
- Ibn Ruschd,
- Ibn Sina. ("Der Medicus")
Wer mit Bassam Tibi spricht,
hört viele lehrreiche Geschichten aus seinem Forscherleben. "Ich bin Orientale. Und Orientalen beantworten eine Frage mit einer Geschichte."
Mit 18 Jahren kam er als Student aus Syrien nach Deutschland.
1962 war das. Seitdem hat der Politikwissenschaftler an Universitäten auf dem halben Globus gelehrt und geforscht. In Deutschland zunächst in Frankfurt, dann in Göttingen. Auch mit deutschen Politikern hatte er oft zu tun.
Einen Moscheeverband
oder ähnliches kann Tibi nicht vorweisen. Seine Idee ist der Euro-Islam: ein säkularer, freiheitlicher und aufgeklärter Islam.
Auf der Suche nach einem Imam.
Auf die Frage, ob es in Deutschland Moscheen gibt, die er gerne besucht, antwortet Tibi wiederum mit einer Anekdote. Er habe einmal versucht, "einen deutschen Imam zu finden, der so ähnlich denkt wie ich."
"Ich bin rumgereist damals in der ganzen Bundesrepublik und habe nach Imamen in Moscheen gesucht. Wirklich gesucht und gesucht und nichts gefunden. Und zum Schluss kamen wir zu dem Ergebnis: Wir haben den Imam der Moschee von Marseille, er heißt Bencheikh. Er sprach toll. Demokratisch, laizistisch, liberal. Und man hat mir gesagt, können Sie uns nicht einen Deutschen holen? Ich habe gesagt, den gibt es nicht. Leider."
Tibi fühlt sich mit seinem Islamverständnis zwar nicht einsam in Deutschland, aber offenbar doch recht allein.
Tibis Kritik an DITIB
Für Bassam Tibi ist nur ein säkularer und freiheitlicher Islam akzeptabel.
- Deshalb ist er sich ganz sicher, wer den Unterricht nicht erteilen sollte: der türkisch-islamische Verband Ditib.
Nicht nur den Einfluss der türkischen Regierungspartei AKP fürchtet der Politikwissenschaftler.
- Auch die Muslimbrüder lehnt er als Lehrer ab, eine gemäßigt-islamistische Bewegung, die vor allem im Nahen Osten aktiv ist.
Aber wer dann könnte den schulischen Islamunterricht erteilen?
Tibi sagt, nur ein (1!) islamischer Theologe in Deutschland sei in der Lage, Lehrerinnen und Lehrer adäquat auszubilden: Mouhanad Khorchide von der Uni Münster.
Doch der ist unter den Islamverbänden sehr umstritten, wegen seiner liberalen Ausrichtung. Herr Khorchide wird blockiert von allen Ecken. Und selbst, wenn er nicht blockiert wird: Was kann ein Professor mit einem kleinen Institut für ein Land mit 80 Millionen und mit einer islamischen Minderheit von Millionen? Herr Khorchide, ein toller Kerl, aber er kann nicht so viele Lehrer ausbilden, die Kinder von 6,5 Millionen Muslimen hier in einem aufgeklärten Islam unterrichten."
Und wenn es am qualifizierten Personal mangelt, meint Tibi, sollte man auf den Islamunterricht besser erst einmal verzichten. "Unter den jetzigen Bedingungen halte ich einen Islamunterricht für kontraproduktiv im Hinblick auf Integration. Ein Islamunterricht, der unter die Hände der Muslimbrüder und der AKP kommt, wird genau das verhindern, was wir wollen: Integration. Wollen wir das?" [Quelle: Deutschlandfunk] Quelle1
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"Die Behauptung, dem Islam fehle die Aufklärung
ist auch ein uraltes Klischee. Der Stolz auf die Aufklärung, wenn er sich inzwischen allerdings auch etwas gelegt hat, verleitet immer wieder dazu, der westlichen Kultur gegenüber dem Islam einen erheblichen Vorsprung zuzumessen. In der islamischen Geschichte hat es zwar keine flächendeckende Säkularisierungsbewegung gegeben, dies aber deshalb nicht, weil Sakrales und Säkulares im Islam bereits nebeneinander existierten. Auch war das Kräfteungleichgewicht keineswegs immer so wie wir es heute haben.
Die islamische Wissenskultur war sehr lange Zeit der westlichen oder überhaupt der außerislamischen weit überlegen. Das hat nicht zuletzt zu tun mit den medialen Vorsprüngen, die man hatte. Es gab in der islamischen Welt beispielsweise schon seit dem achten Jahrhundert die Herstellung von Papier. Diese ermöglichte wiederum, immense Massen von Texten zu verbreiten, wovon im gleichzeitigen Westen keine Rede sein konnte. Es ist sicher mehr als das Hundertfache des im Westen an Schriften Vorhandenen was da an arabischen Texten in Umlauf gebracht worden ist. Bis zum 15. Jahrhundert war man im Westen noch auf Pergament angewiesen, was sehr kostspielig und schwer zu bekommen war."
[Angelika Neuwirth]
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Weniger Kritik an DITIB
hat die Tübinger Soziologin Theresa Beilschmidt,
die über Ditib-Moscheegemeinden in Deutschland im Jahre 2015 ihre Doktor-Arbeit schrieb. Dazu hattesie u.a. ein Dreivierteljahr am Leben von drei Ditib-Moschee-Gemeinden in Hessen teilgenommen: Kochen, reden, interviewen, beten... . - Meist auf Deutsch, aber auch Arabisch und Türkisch. "Die Gemeinden haben ein großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und lokaler Autonomie. Sie suchen die Integration in ihrer deutschen Umgebung" sagte sie dem Schwäbischen Tagblatt.
Ihre drei untersuchten Gemeinden hätten die DITIB gar nicht so sehr gebraucht. Alle drei, sagte sie, haben gute Kontakte zur örtlichen Gemeinde und den christlichen Kirchen-Gemeinden vor Ort. Die weltlichen Vorsteher der Moscheegemeinden seien in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert und nach Deutschland hin orientiert. Im Alltag seien der Dachverband von DITIB in Köln und die Religionsbehörde Diyanet aus der Türkei weit weg. - Die Imame, also die türkischen Theologen, die aus der Türkei für ein paar Jahre nach Deutschland an die DITIB-Moscheen versetzt werden, stellten die Verbindung der Gemeindemitglieder zur Religion her, die ihnen eine kulturelle und spirituelle Heimat biete.
die über Ditib-Moscheegemeinden in Deutschland im Jahre 2015 ihre Doktor-Arbeit schrieb. Dazu hattesie u.a. ein Dreivierteljahr am Leben von drei Ditib-Moschee-Gemeinden in Hessen teilgenommen: Kochen, reden, interviewen, beten... . - Meist auf Deutsch, aber auch Arabisch und Türkisch. "Die Gemeinden haben ein großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und lokaler Autonomie. Sie suchen die Integration in ihrer deutschen Umgebung" sagte sie dem Schwäbischen Tagblatt.
Ihre drei untersuchten Gemeinden hätten die DITIB gar nicht so sehr gebraucht. Alle drei, sagte sie, haben gute Kontakte zur örtlichen Gemeinde und den christlichen Kirchen-Gemeinden vor Ort. Die weltlichen Vorsteher der Moscheegemeinden seien in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert und nach Deutschland hin orientiert. Im Alltag seien der Dachverband von DITIB in Köln und die Religionsbehörde Diyanet aus der Türkei weit weg. - Die Imame, also die türkischen Theologen, die aus der Türkei für ein paar Jahre nach Deutschland an die DITIB-Moscheen versetzt werden, stellten die Verbindung der Gemeindemitglieder zur Religion her, die ihnen eine kulturelle und spirituelle Heimat biete.
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DITIB-Moschee in Berlin Neukölln - Mit türkischer Fahne am Minarett.
Die ehrenamtliche Mathematik-Studentin,
die uns BesucherInnen die Moschee zeigt, ist gekleidet wie andere Berliner Studentinnen auch. Für ihre Erklärungen sitzt sie in der Moschee auf dem Boden, dort wo auch die Männer sitzen.
Sie berichtet, dass die Imame,
die für jeweils etwa 3 Jahre aus der Türkei an der Moschee arbeiten, in der Regel kaum Deutsch sprechen und sich deshalb mit den in Berlin aufgewachsenen jungen muslimischen BerlinerInnen kaum verständigen können und daher auch keinen Dialog führen können. - Bis die Imane selber ihren eigenen Kultur-Schock in Berlin überwunden haben, ist ihre Zeit in Deutschland oft schon wieder zu Ende.
Als gegen 17 Uhr die Gebetszeit beginnt,
bleibt die Studentin an ihrem Platz sitzen, nur zieht sie jetzt ein dünnes Tuch aus ihrer Tasche und legt es locker auf ihren Kopf. Vorne in der Moschee, vor der Gebetsnische, stehen und beten jetzt der Imam der Gemeinde und einige alte und auch junge Männer. Den Imam können wir BesucherInnen nicht verstehen. Türkisch? Arabisch? Ob ihn die jungen Männer verstehen? - Nun gut, es ist noch nicht allzu lange her, dass die katholischen Priester die Messe auch in Deutschland in lateinischer statt in deutscher Sprache lesen mussten, was auch kaum jemand verstand. - Und Papst Benedikt hat es gestattet, dass die katholischen Priester in Deutschland das auch heute wieder dürften... .
Vor der Moschee
sind u.a. muslimische Diplomaten begraben, die zur Zeit von Kaiser Wilhelm in Berlin arbeiteten und dort gestorben sind. - Es ist wohl der älteste muslimische Friedhof Deutschlands.
Die Problematik
Das zentrale Wochen-Gebet findet in allen Moscheen der Welt am Freitag statt. In allen DTIB(!)-Moscheen wird dabei auf türkisch ein zentraler Text vom verlesen, der von der Religionsbehörde in der Türkei (gegründet 1924!) verfasst wurde.
Die Aufgabe der Behörde war natürlich 1924 (unter Atatürk) eine komplett andere als heute (unter Erdogan). - Der Artikel in wikipedia ist lesenswert.
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