Donnerstag, 13. Juni 2013

Aufstieg durch Bildung. Die Sache mit den Papieren.


"Einige Jahre zuvor, als mir noch nicht klar war, was ich werden wollte, 

 und meine Phantasie auf Hochtouren arbeitete, hatte ich sogar nach West Point auf die Militärakade­mie gehen wollen. Ich hatte mir oft ausgemalt, wie ich in einer heroischen Schlacht starb statt im Bett. Ich wollte ein Gene­ral mit einem eigenen Bataillon werden und rätselte, welcher Schlüssel einem wohl das Tor zu diesem Wunderland öffne.
 

Ich fragte meinen Vater, 
wie man in West Point aufgenommen werden könne. Er sah mich schockiert an und sagte, mein Nach­name fange nicht mit »de« oder »von« an und man brauche Be­ziehungen und makellose Papiere, wenn man es dort zu etwas bringen wolle. Er schlug vor, wir sollten uns darauf konzentrie­ren, diese Papiere zu beschaffen. –
 

Die Sache mit den Beziehungen und den Papieren 
ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Das hörte sich gar nicht gut an; es gab mir das Gefühl, daß mir irgend etwas fehlte. Es dauerte nicht lange, bis ich herausfand, was damit gemeint war und wie einem so etwas die Pläne durchkreuzen kann.
 



Meine frühen Bands wurden mir gewöhnlich von anderen Sängern aus­gespannt, die gerade eine brauchten. Es hatte ganz den Anschein, als passiere das jedesmal, wenn ich gerade eine Band beisammen­hatte. Ich verstand nicht, wie das möglich war, wo doch die ande­ren Jungs auch nicht besser sangen oder spielten als ich. –
 

Ich beklagte mich regelmäßig bei meiner Großmutter, 
die bei uns wohnte, meiner einzigen Ver­trauten, und sie sagte, ich solle das nicht persönlich nehmen. Sie meinte zum Beispiel: »Manche Leute kann man eben nicht über­zeugen. Laß einfach gut sein - das gibt sich von selbst. « Klar, das sagt sich leicht, aber ich fühlte mich trotzdem elend.
 

Es war eben so, 
daß die Jungs, die mir meine Bands wegnahmen, verwandt­schaftliche Beziehungen zu einem hohen Tier in der Handels­kammer, im Stadtrat oder in den Handelsverbänden hatten. Diese Riegen hatten Kontakt zu verschiedensten Kreisen im ganzen Bundesstaat. Die Sache mit den Familienbeziehungen machte mir schwer zu schaffen, und ich kam mir nackt vor.
 

Es war so eine fundamentale Ungerechtigkeit. Den einen ver­schaffte sie einen unfairen Vorteil, und die anderen blieben im Regen stehen. Wie sollte man unter solchen Bedingungen je­mals nach oben kommen? Es sah ganz nach einem Naturgesetz aus, aber selbst wenn es so war, wollte ich mich nicht in den Schmollwinkel verziehen oder das Ganze, wie meine Großmutter sagte, persönlich nehmen. 

Familienbeziehungen waren legitim.
Man konnte sie niemandem zum Vorwurf machen."
 Bob Dylan, Chronicles

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